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Vor Verfall gerettet

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Geschichtsträchtiges Schwarzhaupthaus verkauft

VON ROLF RIEDEL
Das Schwarzhaupthaus aus den Jahr 1840, hat endlich einen Käufer gefunden, der es sanieren will. Das Gebäude ist eng mit der Geschichte der Landjuden in Ermreuth verbunden und befindet sich in direkter Nähe zur Synagoge.
ERMREUTH - Durch häufigen Herrschaftswechsel wird die Geschichte der Judengemeinde in Ermreuth eng mit der Übernahme des Ortes durch die Freiherrliche Familie derer von Künsberg in den Jahren 1650 bis 1665 verknüpft. Ende des 17. Jahrhunderts sollen neun jüdische Familien im Ort ansässig gewesen sein. Rund 50 Jahre später hatte sich diese Zahl verdoppelt. Schon 1711 wurde der Friedhof außerhalb der Ortschaft auf dem "Heinbühl" angelegt, die erste Synagoge wurde 1738 erbaut. Als sich nach und nach 33 Familien angesiedelt hatten, baute man eine größere Synagoge.
Von 1829 bis Ende 1915 unterhielt die Gemeinde sogar eine eigene Schule. Dabei waren die neuen Ansiedler meist von allgemeinen Gemeinderechten ausgeschlossen. Weil sie Ackerbau und Handwerk nicht betreiben konnten, betätigten sie sich meist als Hausierer. Im Handkarren oder in Bauchladen boten sie Dinge des täglichen Bedarfs an. Weil sie daneben meist zugleich Heiratsvermittler, Hopfen- und Viehhändler waren und das Wort "Schmu" vom hebräischen "schmua" abgeleitet war, was soviel wie Gerücht oder Gerede heißt, wurden sie als "Schmuser" bezeichnet.
Im Jahr 1840 hatten sich rund 40 jüdische Familien in Ermreuth angesiedelt. Da die Juden zu Beginn des 18. Jahrhundert auch Grundbesitz erwerben durften, bauten sich Jacob Joel Levi und Moses Gönninger ein bescheidenes Haus aus Holz mit ungleichen Doppelhaushälften, welche die Hausnummern 26a und 26b trugen. 1884 gehörten beide Haushälften der jüdischen Witwe Babetta Rosenberger. Als sie 1899 starb, erbte ihre Nichte Rosa Schwarzhaupt, eine geborene Wiesenfelder, dieses Haus, das dann die Hausnummer 26 erhielt.
Heute ist das Anwesen, direkt an der Synagoge gelegen, als "Schwarzhaupthaus" bekannt. Es liegt nun in der Wagnergasse und trägt die Hausnummer 6. In der kleineren Haushälfte war früher ein Laden für Stoffe und Nähzubehör untergebracht, nur ein bescheidener Ausschnitt aus dem Sortiment des Kaufhauses, das die Familie in Forth betrieb.
Martina Switalski beschreibt in ihrem Buch "Shalom Forth" auch den Exodus von männlichen Mitgliedern der Familie Schwarzhaupt in den Jahren 1863 und 1864 bis 1875. Zurückzuführen ist dies auch auf das Gesetz zur Gleichberechtigung von 1871, durch das sich die Chancen der Juden auf dem Arbeitsmarkt vergrößerten.

Häfner erinnert sich
Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1939 befand sich das geschichtsträchtige Haus ununterbrochen im Besitz jüdischer Familien. In der Pogromnacht des 9. Novembers 1938 wurde auch das Schwarzhaupthaus zum Ziel von Übergriffen, wie auch der letzte Zeitzeuge, Hans Häfner, der jüngst seinen 90. Geburtstag feiern konnte, sich noch gut erinnern kann.
Mit 16 Jahren war er als Jungknecht in das Haus gekommen. Adolf Schwarzhaupt aus Ermreuth, der nach Schoßaritz als "Schmuser" gekommen war, hatte ihn mit dem Einverständnis seiner Eltern einfach mitgenommen. Er erinnert sich nur allzu gern an die Kochkünste der Hausfrau Alma Schwarzhaupt, die mit Adolf Schwarzhaupt und seinem Bruder Max sowie dem Vater Wilhelm, dem Häfner sein Pfeifchen stopfen musste, und Tochter Rosa in dem Haus lebten. Auch an sein eigenes Zimmer im oberen Stock mit Blick auf den Nachbarshof kann er sich bestens erinnern.
Über die Einzelheiten, die sich in der Nacht des 9. November 1938 im Haus und rund ums Haus abgespielt haben, gehen die Schilderungen weit auseinander. Im Rahmen der "Arisierung" wie es in der Terminologie der damaligen Zeit heißt, wurde das Haus notgedrungen zu einem Spottpreis an einen Geschäftsmann aus Nürnberg verkauft.
Der schmale Erlös reichte nicht einmal für die Auswanderung in die USA. Nur durch die Hilfe der dort schon lebenden Verwandten konnten Adolf, Alma und Max Schwarzhaupt, und zuvor schon die Tochter Rosa zusammen mit Bernhard Wassermann - als einzige Ermreuther Juden - die beschwerliche Reise über den Atlantik antreten. Ihr treuer Knecht Hans Häfner hatte sie noch bis zum Nürnberger Bahnhof begleitet und einen tränenreichen Abschied erlebt.
Erst 1996 hatte der Zweckverband Synagoge Ermreuth das Schwarzhaupthaus zurückerworben und sich dann aber jahrelang nicht zu einer Sanierung entschließen können. Immer wieder hatte Museumskuratorin Rajaa Nadler darauf gedrängt, das Objekt direkt neben der Synagoge zu erwerben. Ein Architekt hatte zwar ein Konzept entworfen, das eine Begegnungsstätte vorsah.

Großzügige Förderung
Doch trotz großzügiger öffentlicher Förderung von insgesamt 770000 Euro hätte das Geld nicht für die Sanierung gereicht. Nach den Berechnungen wären für den Zweckverband, der aus dem Landkreis Forchheim mit einem Anteil von 65 Prozent und dem Markt Neunkirchen (35 Prozent) besteht, immer noch etwa 230000 Euro übrig geblieben. Ungeklärt waren auch die Folgekosten von mindestens 80000 Euro jährlich.
Im Zweckverband wurde heiß diskutiert, es gab sogar Stimmen, die für einen Abriss und die Schaffung von Parkplätzen plädierten. Schließlich einigte man sich auf einen Verkauf zum symbolischen Preis von einem Euro - unter der Auflage, dass das marode, ehemalige jüdische Wohnhaus mit Waschküche, Plumpsklo, Flaschenzug und Räucherkammer in unmittelbarer Nachbarschaft zur Synagoge, vom neuen Eigentümer nicht abgerissen, sondern unter denkmalschutzrechtlichen Gesichtspunkten saniert wird.
Nun hat sich mit Herrmann Stengel, Musiklehrer und Musiker aus Erlangen, ein Käufer gefunden. Der Mann, der Schlagzeug und Percussion, rhythmische Noten- und Harmonielehre unterrichtet, hat schon das kleine benachbarte, ebenfalls unter Denkmalschutz stehende, ehemalige jüdische Wohnhaus sehr behutsam saniert, und dabei entsprechende Erfahrungen gesammelt. Er wollte nicht länger mit ansehen, wie ein echtes Denkmal aus dem Gedächtnis getilgt wird, in dem man es dem Verfall preisgibt, sagt er. Für einen Euro hat er das Anwesen vor zwei Monaten vom Förderverein erworben - und dabei das Versprechen abgegeben, das Haus in den nächsten zehn Jahren zu sanieren.

Originalität erhalten
Der neue Eigentümer will vor allen Dingen die Originalität des Gebäudes erhalten und zumindest das Erdgeschoss so gestalten, dass es für besondere Veranstaltungen genutzt werden kann. Inzwischen steht schon eine Mulde vor dem Haus, die Abrissmaterial aufnehmen soll. Besonderen Wert legt Herrmann Stengel darauf, die besondere fränkische Bauweise des alten Fachwerks und die Spuren der einstigen Besitzer zu erhalten. Von deren Existenz künden noch immer die Mesusen, das sind kleine zylinderförmige Kapseln, die Glaubensbekenntnisse aus dem 5. Buch Moses enthalten, an den Türpfosten.

Originalbericht enthält Foto, das wir aus rechtlichen Gründen nicht hier einstellen dürfen

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