Ortsgeschichte: Einwohner zahlten für die Soldaten - Rechnungen geben Auskunft über Struktur im 18. Jahrhundert
VON ROLF KIESSLING
Ein Blick zurück, über mehrere Jahrhunderte: Ermreuth wird von einer Gruppe Soldaten heimgesucht. Nicht in kriegerischer Absicht. Die Uniformierten wollen nur zwei Nächte in ihrem Quartier bleiben. Doch die Gemeinde kam der kurze Aufenthalt teuer zu stehen. Ein weiteres Stück Ortsgeschichte, das nur zufällig in Ermreuth spielt und sich überall zugetragen haben könnte.
ERMRETUH - Es geschah vor fast 300 Jahren, anno 1716. Am 18. Juni, einem Donnerstag, zog ein Trupp Reitersoldaten in das Dorf Ermreuth ein und nahm dort Quartier bis zum Samstag. Die Reiter gehörten dem Ansbachisch- Schmettauischen Dragonerregiment an. An der Spitze standen drei Adelige, ein Leutnant von Heeringen, ein Herr von Reitzenstein und ein Kadett namens von Pfuhl. Der Offizier und seine Begleiter logierten in einem der drei Gasthäuser und ließen es sich dort offensichtlich richtig gut gehen.
Der Wirt Hans Tremp notierte natürlich alles, was die vornehmen Herren verzehrten. Innerhalb von drei Tagen tranken die Adeligen 14 Maß Bier und 13 Maß Wein. Eine Maß Bier kostete nur zwei Kreuzer, eine Maß Wein jedoch zwölf Kreuzer. Aber nicht nur flüssige Nahrung nahmen die Herren zu sich, sie labten sich auch an Rind- und Ziegenfleisch, verspeisten sieben junge Hühner zu je 14 Kreuzern und eine alte Henne, drei junge Tauben und zwei Pfund Fisch.
Krebse, Butter, Branntwein
Ja, sogar Flusskrebse, eine besondere Delikatesse, ließen sie sich vorsetzen. Sie wussten auch, dass Brot besser schmeckt, wenn man es mit Butter bestreicht und wenn man Eier, in Schmalz gebraten, dazu verzehrt. Branntwein sollte die Verdauung fördern. Gewürze sowie Holz und Lichter setzte der Wirt ebenfalls auf die Rechnung. Am Ende standen die Herren mit acht Gulden und 53 Kreuzern in der Kreide. Fast drei Gulden hatte jeder von ihnen verprasst.
Diese Kosten zahlten die hohen Herren aber nicht aus der Regimentskasse oder gar aus der eigenen Tasche, vielmehr legte der Wirt seine Rechnung der Gemeinde vor, die dafür aufzukommen hatte. Auch für die Unterbringung der einfachen Reiter und ihrer Pferde mussten die Ermreuther zahlen. Für die 19 Soldaten je 40 Kreuzer täglich und ebenso viel für die 24 Pferde. Insgesamt schlug der dreitägige Aufenthalt der Dragoner im Dorf mit 79 Gulden und 25 ½ Kreuzern zu Buch. Die Gemeinde musste dafür aufkommen, handelte es sich doch um Soldaten des Markgrafen von Ansbach, in dessen Diensten die Künsberg standen.
Die hohen Kosten wurden durch eine einmalige Sonderabgabe für jedes Haus hereingeholt. Da genauestens Buch geführt wurde, erfährt man, wie groß Ermreuth 1716 war. Es bestand aus acht Höfen, die je zwei Gulden 40 Kreuzer zu zahlen hatten, aus 22 Gütern, die den halben Betrag entrichten mussten, aus 18 Tropfhäusern und aus vier geringerwertigen Tropfhäusern, auf die nur je 40 beziehungsweise 27 Kreuzer entfielen. Insgesamt zählte Ermreuth also 52 gewöhnliche Häuser. Auch die Bewohner des Nachbardorfs Pommer mussten die Sonderabgabe für die Soldaten zahlen.
Woher kamen die Einnahmen?
Wie generierte die Gemeinde damals generell ihre Einnahmen? In Ermreuth waren drei größere mit Obstbäumen bepflanzte Grundstücke im Besitz der Gemeinde, der Gehrn Anger, der Wegscheid Anger und die Laimen Eggerten. Das dort zu erntende Obst wurde Jahr für Jahr meistbietend versteigert. In der Gemeinde-Rechnung für das Jahr 1716/17 heißt es: "24 Gulden hat Conrad Schlecht vor (für) alles Gemeind-Obst zu zahlen accordiret (vertraglich vereinbart) pro 1716, da aber dieses 1717te Jahr die Kirschen gar nicht gerathen sind, haben auch keine verlaßen (versteigert) werden können." Gelegentlich wurden auch Strafen verhängt und dadurch Einnahmen erzielt. Einen halben Gulden musste zum Beispiel der Jude Marx bezahlen, "wegen deßen, daß er dem Viertelsmeister Georg Dorn auf dem Gehrn am Pfingst-Abend ungebührlich begegnet" war. Die Hälfte davon, also 15 Kreuzer, stand "der gnädigen Herrschaft" zu und musste wieder abgezogen werden.
Amtsverwalter der Freiherren von Künsberg war damals Johann Sebastian Stadler, der die Kassenführung durch die Viertelsmeister überwachte und die Jahresrechnung niederschrieb.
Der genauen Buchführung jener Zeiten ist es zu verdanken, dass man sich noch heute ein recht genaues Bild von den Lebensverhältnissen der Dorfbewohner machen kann. Der Amtsverwalter erhielt übrigens von den Ermreuthern ein halbes Dutzend zinnerne Teller als Geschenk, als er 1716 heiratete. Seiner Frau schenkten die Dorfbewohner ein "Suppelschüsselchen", als sie 1717 im Kindbett lag.
Originalbericht enthält Foto, das wir aus rechtlichen Gründen nicht hier einstellen dürfen
VON ROLF KIESSLING
Ein Blick zurück, über mehrere Jahrhunderte: Ermreuth wird von einer Gruppe Soldaten heimgesucht. Nicht in kriegerischer Absicht. Die Uniformierten wollen nur zwei Nächte in ihrem Quartier bleiben. Doch die Gemeinde kam der kurze Aufenthalt teuer zu stehen. Ein weiteres Stück Ortsgeschichte, das nur zufällig in Ermreuth spielt und sich überall zugetragen haben könnte.
ERMRETUH - Es geschah vor fast 300 Jahren, anno 1716. Am 18. Juni, einem Donnerstag, zog ein Trupp Reitersoldaten in das Dorf Ermreuth ein und nahm dort Quartier bis zum Samstag. Die Reiter gehörten dem Ansbachisch- Schmettauischen Dragonerregiment an. An der Spitze standen drei Adelige, ein Leutnant von Heeringen, ein Herr von Reitzenstein und ein Kadett namens von Pfuhl. Der Offizier und seine Begleiter logierten in einem der drei Gasthäuser und ließen es sich dort offensichtlich richtig gut gehen.
Der Wirt Hans Tremp notierte natürlich alles, was die vornehmen Herren verzehrten. Innerhalb von drei Tagen tranken die Adeligen 14 Maß Bier und 13 Maß Wein. Eine Maß Bier kostete nur zwei Kreuzer, eine Maß Wein jedoch zwölf Kreuzer. Aber nicht nur flüssige Nahrung nahmen die Herren zu sich, sie labten sich auch an Rind- und Ziegenfleisch, verspeisten sieben junge Hühner zu je 14 Kreuzern und eine alte Henne, drei junge Tauben und zwei Pfund Fisch.
Krebse, Butter, Branntwein
Ja, sogar Flusskrebse, eine besondere Delikatesse, ließen sie sich vorsetzen. Sie wussten auch, dass Brot besser schmeckt, wenn man es mit Butter bestreicht und wenn man Eier, in Schmalz gebraten, dazu verzehrt. Branntwein sollte die Verdauung fördern. Gewürze sowie Holz und Lichter setzte der Wirt ebenfalls auf die Rechnung. Am Ende standen die Herren mit acht Gulden und 53 Kreuzern in der Kreide. Fast drei Gulden hatte jeder von ihnen verprasst.
Diese Kosten zahlten die hohen Herren aber nicht aus der Regimentskasse oder gar aus der eigenen Tasche, vielmehr legte der Wirt seine Rechnung der Gemeinde vor, die dafür aufzukommen hatte. Auch für die Unterbringung der einfachen Reiter und ihrer Pferde mussten die Ermreuther zahlen. Für die 19 Soldaten je 40 Kreuzer täglich und ebenso viel für die 24 Pferde. Insgesamt schlug der dreitägige Aufenthalt der Dragoner im Dorf mit 79 Gulden und 25 ½ Kreuzern zu Buch. Die Gemeinde musste dafür aufkommen, handelte es sich doch um Soldaten des Markgrafen von Ansbach, in dessen Diensten die Künsberg standen.
Die hohen Kosten wurden durch eine einmalige Sonderabgabe für jedes Haus hereingeholt. Da genauestens Buch geführt wurde, erfährt man, wie groß Ermreuth 1716 war. Es bestand aus acht Höfen, die je zwei Gulden 40 Kreuzer zu zahlen hatten, aus 22 Gütern, die den halben Betrag entrichten mussten, aus 18 Tropfhäusern und aus vier geringerwertigen Tropfhäusern, auf die nur je 40 beziehungsweise 27 Kreuzer entfielen. Insgesamt zählte Ermreuth also 52 gewöhnliche Häuser. Auch die Bewohner des Nachbardorfs Pommer mussten die Sonderabgabe für die Soldaten zahlen.
Woher kamen die Einnahmen?
Wie generierte die Gemeinde damals generell ihre Einnahmen? In Ermreuth waren drei größere mit Obstbäumen bepflanzte Grundstücke im Besitz der Gemeinde, der Gehrn Anger, der Wegscheid Anger und die Laimen Eggerten. Das dort zu erntende Obst wurde Jahr für Jahr meistbietend versteigert. In der Gemeinde-Rechnung für das Jahr 1716/17 heißt es: "24 Gulden hat Conrad Schlecht vor (für) alles Gemeind-Obst zu zahlen accordiret (vertraglich vereinbart) pro 1716, da aber dieses 1717te Jahr die Kirschen gar nicht gerathen sind, haben auch keine verlaßen (versteigert) werden können." Gelegentlich wurden auch Strafen verhängt und dadurch Einnahmen erzielt. Einen halben Gulden musste zum Beispiel der Jude Marx bezahlen, "wegen deßen, daß er dem Viertelsmeister Georg Dorn auf dem Gehrn am Pfingst-Abend ungebührlich begegnet" war. Die Hälfte davon, also 15 Kreuzer, stand "der gnädigen Herrschaft" zu und musste wieder abgezogen werden.
Amtsverwalter der Freiherren von Künsberg war damals Johann Sebastian Stadler, der die Kassenführung durch die Viertelsmeister überwachte und die Jahresrechnung niederschrieb.
Der genauen Buchführung jener Zeiten ist es zu verdanken, dass man sich noch heute ein recht genaues Bild von den Lebensverhältnissen der Dorfbewohner machen kann. Der Amtsverwalter erhielt übrigens von den Ermreuthern ein halbes Dutzend zinnerne Teller als Geschenk, als er 1716 heiratete. Seiner Frau schenkten die Dorfbewohner ein "Suppelschüsselchen", als sie 1717 im Kindbett lag.
Originalbericht enthält Foto, das wir aus rechtlichen Gründen nicht hier einstellen dürfen