Handwerk Auch nach der Ausbildung dauert es noch lange, bis ein Geigenbauer seinen Beruf versteht. Das schreckt viele junge Menschen ab. Für Gerhard Otto Klier macht das den Reiz aus.
VON UNSERER MITARBEITERIN Petra Malbrich
Neunkirchen am Brand - Geigen in verschiedensten Größen und Formen hängen fein nebeneinander vor den Werkstattfenstern von Gerhard Otto Klier. Natürlich auch die Viola Asymmetrisch Model AK, seine eigene Erfindung. Die Länge des Korpus ist verkürzt, weshalb sie für den Musiker einfacher zu handhaben sei. Und sie hat fünf Saiten, eine normale Geige zählt vier. 15 Jahre dauerte es, bis der Geigenbauer Gerhard Otto Klier aus seinen Vorstellungen dieses Instrument kreierte. 2006 wurde ihm deshalb von Michael Glos, dem damaligen Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, der Deutsche Musikinstrumentenpreis für Bratsche verliehen. Den Designpreis des oberfränkischen Handwerks erhielt er 2009.
Die unzähligen handwerklichen Meisterwerke, die Plakate mit Geigen und Cellos, die allgegenwärtigen Werkzeuge, Farben und Lacke verraten, dass hier nicht nur jemand einfach seinem Beruf nachgeht. "Die Liebe zur klassischen Musik, zur Musik überhaupt ist hilfreich", nennt Gerhard Otto Klier eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Beruf des Geigenbauers.
Früh Geige und Klavier gelernt
Diese Liebe hat er in die Wiege gelegt bekommen. Nicht nur sein Vater und Großvater übten dieses Kunsthandwerk in Heimarbeit aus, auch der Urgroßvater war Geigenbauer. In der elterlichen Werkstatt in Gossengrün (ehemalige Tschechoslowakei) kam er schon bald mit diesen filigranen Musikinstrumenten in Berührung, lernte selbst Geige und Klavier zu spielen.
Während Klier im leichten Plauderton seinen Werdegang schildert - er lernte und studierte erst in Richtung Technik des Musikinstrumentenbaus, arbeitete als Zeichner und Konstrukteur -, sucht er passende Holzteile für eine Geige aus seinen Beständen. Überall in der kleinen Werkstatt sind einzelne Stücke des Instruments zu finden. Auf dem Arbeitstisch an der Wand liegen dünne Holzbretter, bei denen der Bauch aus Ahorn oder die Decke aus Fichte schon erkennbar sind.
Um jeden der unzähligen Arbeitsschritte aufzuzeigen, holt der Geigenbaumeister ein Muster. Mit Schablonen arbeitet der Kunsthandwerker, um die genaue Form der Wölbung zu erhalten. Jede Geige hat eine andere Wölbung. Höher oder schmäler, je nachdem welcher Klangcharakter erreicht werden soll. Mit einem Rundeisen, dem Stemmeisen ähnlich, sticht er die Wölbung aus dem Holz. Überwacht dabei jeden seiner Schritte, legt das Teil auf die Waage und klopft auf das Holz.
Er prüft den Eigenton, der dadurch erzeugt wird, bis der von ihm selbst erwünschte Ton erreicht ist. "Ein C", meint Klier, holt seine Geige und stimmt das C an. Es passt.
Löcher für den Charakter
Dann zeichnet er die f-Löcher ein. Sie müssen genau ausgeschnitten werden. Es sind die Schalllöcher, aber zugleich das Charaktermerkmal eines jeden Geigenbauers, der künstlerische Touch sozusagen. An diesen f-Löchern lässt sich sogar der Typus zuordnen. Eine Stradivari beispielsweise. "Kenner können auch die Periode bestimmen", erzählt Klier, während er den Bassbalken an seiner Geige anbringt. Er ist das Gegengewicht zum Stimmstock, hilft bei dem eher weichen Fichtenholz für eine Versteifung und sorgt für eine Ausweitung der Schwingungen.
Zwischen 160 und 200 Arbeitsstunden investiert der ruhige Mann, bis aus der dicken gefaserten Holzplatte ein Kunstwerk entstanden ist. Zwischen 9000 und 14 000 Euro kostet eines dieser handgefertigten Meisterwerke. 2000 Euro, wenn es aus China kommt. "Der Beruf ist nicht am Aussterben. Doch das Interesse, das er in den 80er- und 90er-Jahren fand, ist vorbei." Klier begründet das mit der Wende und der Öffnung der Grenzen nach Osten. Aus China, Polen, Rumänien oder Ungarn werden unfertige Geigen oder Teilstücke hierher geliefert. Billig geliefert, aber in Deutschland zusammengestellt, weshalb es als deutsche Ware gilt. Made in Germany.
Der Beruf sei vor allem interessant, wenn man individuelle Meisterinstrumente herstellt. "Es gibt noch kleine Manufakturen", fügt Klier an. Aber die würden nur mit angelernten Arbeitern oder Gesellen arbeiten. "Eine Meisterprüfung bedeutet Betriebsleiter. Das ist unrentabel. Die Meisterprüfung ist seit dem Wandel Anfang 2000 auch nicht mehr notwendig, um sich selbständig zu machen, wie es früher war", erklärt der Neunkirchner. Er ist Meister, war Gesellenprüfungsvorsitzender und ist noch immer in der Meisterprüfungskommission der Streich- und Zupfinstrumentenmacher-Innung Erlangen.
Aber seit Jahren gebe es keine Nachfrage an Gesellen- oder Meisterprüfungen mehr. "Der Beruf ist schwierig, da es bis zur Kompetenz, Spitzengeräte herzustellen, Jahrzehnte braucht", weiß Klier. Er selbst, brauchte 20 Jahre, um auf dieses Niveau zu gelangen. Auch ein gutes Instrument bedeute nicht, dass es einem aus der Hand gerissen werde.
Einlage und Randarbeit
Er selbst spielt im Erlanger Kammerorchester und hat daher Kontakte zu Musikern, die ein gutes Instrument zu schätzen wissen. Ein gutes Instrument, das am Stil des Kunsthandwerkers zu erkennen ist, wie Kliers Violinen an der Einlage, einer Intarsie, und der Randarbeit. Gerade bei der Meisterprüfung wird auf diese beiden Ausarbeitungen großen Wert gelegt.
Nach den vielen einzelnen Arbeitsschritten - bei denen der Zargenkranz hergestellt wird, auf die Decke geleimt und der Boden von anderer Seite befestigt wird und den Einlagen - kommen Kopf und Schnecke auf die Geigen. Auch der Schwung der Schnecke muss stilistisch zum Rand, den f-Löchern und dem Korpus passen. Dann wird noch der Wirbel eingesetzt, der Steg geschnitten und aufgepasst, ein Endknopf angebracht, die Saitenhalter bereitgehalten und die Saiten aufgezogen.
Fertig ist die Geige trotzdem noch nicht. Nur die weiße Geige. Die wird dann noch grundiert und lackiert - und das ist eine weitere Wissenschaft für sich.
Jede Menge Werkzeug benötigt Gerhard Otto Klier, um aus Holz einzigartige Geigen herzustellen.