Gesamtausgabe
Immer mehr Bürger sagen Stromkonzernen bei Energieversorgung den Kampf an
Statt Strom aus Kraftwerken zu beziehen, nehmen immer mehr Bürger die Energiewende selbst in die Hand. In Berlin haben sie sich nun zu einem Netzwerk zusammengeschlossen.
BERLIN - Michael Diestel ist ein Mann der Zukunft, aber er setzt auf Rezepte aus der Vergangenheit. "Was dem Einzelnen nicht möglich ist, das schaffen viele", zitiert er Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818-1888), der Zusammenschlüsse von Bauern organisierte, damit sie gemeinsam Gerät und Saatgut kaufen konnten.
Diestel ist Vorstand der Friedrich-Wilhelm Raiffeisen Energiegenossenschaft im fränkischen Bad Neustadt/ Saale. Er sieht im alten Raiffeisen-Motto "Das Geld des Dorfes dem Dorfe" das ideale Modell für den Bau neuer Solar- und Windparks, wie er beim ersten Bundeskongress der Energiegenossenschaften in Berlin betont.
Auf dem Land seien Sonne, Wind und Biomasse vorhanden - was fehle, sei oft das Geld, um daraus Energie zu produzieren. 4,8 Billionen hätten die deutschen Sparer auf der hohen Kante. Schon ein Bruchteil könne die Energiewende stärken, und die Bürger könnten von den Erträgen profitieren. "Was die Industrialisierung für die Stadt war, das ist die Energiewende für den ländlichen Raum weltweit", glaubt Diestel. Die Energiegenossenschaft auf dem Land werde so normal werden wie die Dorfkapelle oder der Sportverein, glaubt er.
Bisher gibt es rund 600 Energiegenossenschaften. Jede von ihnen erzeugte Kilowattstunde Strom ist eine weniger verkaufte für die großen Energieversorger wie E.on und RWE. Gerade in ländlichen Regionen werden die Bürger dadurch zunehmend zu Selbstversorgern. Landwirte werden plötzlich zu Energiewirten - und junge Leute bekommen durch den Einstieg in das Energiegeschäft neue Perspektiven, die zum Verbleiben statt zur Abwanderung bewegen.
Diese Stromrebellen, die autark von den Preislaunen der Konzerne werden wollen, sind für die Konzerne eine Gefahr. Insgesamt sind 40 Prozent der Ökostrom-Anlagen in der Hand von Privatleuten - auch vor diesem Hintergrund müssen Attacken gegen die Energiewende verstanden werden. Auch dank Genossenschaften ist der Ökostrom-Anteil bereits auf rund 25 Prozent geklettert.
"Das Einkommen aus der Energieproduktion fließt nicht mehr in anonyme Aktienpakete", betonen die Initiatoren des ersten Bundeskongresses von Energiegenossenschaften, Josef Göppel (CSU), Ingbert Liebing (CDU), Hans-Josef Fell (Grüne) und Waltraud Wolff (SPD). So profitierten auch Landwirte, Hausbesitzer, Handwerker und viele Privatleute von der Energiewende, indem sie sich an Windrädern und Solaranlagen beteiligen oder diese installieren.
Das Dilemma: Je mehr Menschen profitieren, desto größer sind die Widerstände gegen Reformen des Erneuerbare- Energien-Gesetzes. In diesen Tagen haben Millionen Deutsche die Quittung erhalten: Nicht nur, aber auch die Ökostrom-Förderung, die über den Strompreis zu zahlen ist, hat Hunderte Versorger zu oft deftigen Erhöhungen bei den Tarifen für das kommende Jahr veranlasst. Gerade untere Einkommensschichten profitieren daher derzeit eher nicht von der Energiewende, sondern werden durch sie stärker belastet. Ihnen fehlt zudem oft das Geld, um über Genossenschaften profitieren zu können.
Mit 3172 Euro dabei
81000 Bürger halten nach einer Untersuchung des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbands bereits Anteile an Solar- und Windparks oder Biogasanlagen in Deutschland. Derzeit kommen wöchentlich im Schnitt drei neue Genossenschaften hinzu. Besonders verbreitet sind sie in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen. Im Schnitt beteiligt sich jeder Energiegenosse mit 3172 .
Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) sieht in einer direkten Beteiligung der Bürger einen Schlüssel für das Gelingen der Energiewende. Er hat daher auch die Idee von Bürgernetzen geboren, um endlich den Stromnetzausbau voranzubringen. Indes ist fraglich, ob sich Altmaiers Plan realisieren lässt. Er will, dass sich die Bürger ab Anteilen in Höhe von 500 am Netzausbau beteiligen können, die mit jährlich fünf Prozent verzinst werden. So gäbe es Kapital für den Netzausbau und die Bürger würden sogar daran verdienen.
VON GEORG ISMAR (dpa)
Immer mehr Bürger sagen Stromkonzernen bei Energieversorgung den Kampf an
Statt Strom aus Kraftwerken zu beziehen, nehmen immer mehr Bürger die Energiewende selbst in die Hand. In Berlin haben sie sich nun zu einem Netzwerk zusammengeschlossen.
BERLIN - Michael Diestel ist ein Mann der Zukunft, aber er setzt auf Rezepte aus der Vergangenheit. "Was dem Einzelnen nicht möglich ist, das schaffen viele", zitiert er Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818-1888), der Zusammenschlüsse von Bauern organisierte, damit sie gemeinsam Gerät und Saatgut kaufen konnten.
Diestel ist Vorstand der Friedrich-Wilhelm Raiffeisen Energiegenossenschaft im fränkischen Bad Neustadt/ Saale. Er sieht im alten Raiffeisen-Motto "Das Geld des Dorfes dem Dorfe" das ideale Modell für den Bau neuer Solar- und Windparks, wie er beim ersten Bundeskongress der Energiegenossenschaften in Berlin betont.
Auf dem Land seien Sonne, Wind und Biomasse vorhanden - was fehle, sei oft das Geld, um daraus Energie zu produzieren. 4,8 Billionen hätten die deutschen Sparer auf der hohen Kante. Schon ein Bruchteil könne die Energiewende stärken, und die Bürger könnten von den Erträgen profitieren. "Was die Industrialisierung für die Stadt war, das ist die Energiewende für den ländlichen Raum weltweit", glaubt Diestel. Die Energiegenossenschaft auf dem Land werde so normal werden wie die Dorfkapelle oder der Sportverein, glaubt er.
Bisher gibt es rund 600 Energiegenossenschaften. Jede von ihnen erzeugte Kilowattstunde Strom ist eine weniger verkaufte für die großen Energieversorger wie E.on und RWE. Gerade in ländlichen Regionen werden die Bürger dadurch zunehmend zu Selbstversorgern. Landwirte werden plötzlich zu Energiewirten - und junge Leute bekommen durch den Einstieg in das Energiegeschäft neue Perspektiven, die zum Verbleiben statt zur Abwanderung bewegen.
Diese Stromrebellen, die autark von den Preislaunen der Konzerne werden wollen, sind für die Konzerne eine Gefahr. Insgesamt sind 40 Prozent der Ökostrom-Anlagen in der Hand von Privatleuten - auch vor diesem Hintergrund müssen Attacken gegen die Energiewende verstanden werden. Auch dank Genossenschaften ist der Ökostrom-Anteil bereits auf rund 25 Prozent geklettert.
"Das Einkommen aus der Energieproduktion fließt nicht mehr in anonyme Aktienpakete", betonen die Initiatoren des ersten Bundeskongresses von Energiegenossenschaften, Josef Göppel (CSU), Ingbert Liebing (CDU), Hans-Josef Fell (Grüne) und Waltraud Wolff (SPD). So profitierten auch Landwirte, Hausbesitzer, Handwerker und viele Privatleute von der Energiewende, indem sie sich an Windrädern und Solaranlagen beteiligen oder diese installieren.
Das Dilemma: Je mehr Menschen profitieren, desto größer sind die Widerstände gegen Reformen des Erneuerbare- Energien-Gesetzes. In diesen Tagen haben Millionen Deutsche die Quittung erhalten: Nicht nur, aber auch die Ökostrom-Förderung, die über den Strompreis zu zahlen ist, hat Hunderte Versorger zu oft deftigen Erhöhungen bei den Tarifen für das kommende Jahr veranlasst. Gerade untere Einkommensschichten profitieren daher derzeit eher nicht von der Energiewende, sondern werden durch sie stärker belastet. Ihnen fehlt zudem oft das Geld, um über Genossenschaften profitieren zu können.
Mit 3172 Euro dabei
81000 Bürger halten nach einer Untersuchung des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbands bereits Anteile an Solar- und Windparks oder Biogasanlagen in Deutschland. Derzeit kommen wöchentlich im Schnitt drei neue Genossenschaften hinzu. Besonders verbreitet sind sie in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen. Im Schnitt beteiligt sich jeder Energiegenosse mit 3172 .
Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) sieht in einer direkten Beteiligung der Bürger einen Schlüssel für das Gelingen der Energiewende. Er hat daher auch die Idee von Bürgernetzen geboren, um endlich den Stromnetzausbau voranzubringen. Indes ist fraglich, ob sich Altmaiers Plan realisieren lässt. Er will, dass sich die Bürger ab Anteilen in Höhe von 500 am Netzausbau beteiligen können, die mit jährlich fünf Prozent verzinst werden. So gäbe es Kapital für den Netzausbau und die Bürger würden sogar daran verdienen.
VON GEORG ISMAR (dpa)