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Heinrich Heines spitze Zunge

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Neunkirchener Kulturtage: Werner Müller trug Werke des deutschen Autors vor

VON UDO GÜLDNER
Bei einem hinreißenden Abend von und mit Heinrich Heine hat Werner Müller (70) die Zuhörer in der Marktbücherei in Neunkirchen in den Bann gezogen. Die "gelebten Gedichte", wie der Schauspieler und Rezitator aus Weißenohe sein Programm nennt, waren ohne Frage literarischer Höhepunkt der Kulturtage. Geläster und Gelächter wechseln sich ab.
"Heine hat es den Deutschen nicht leicht gemacht, und sie es ihm nicht." Wen wundert es heute noch, dass sich Heinrich Heine (1797 bis 1856) mit seinen anfänglich romantischen, im späteren Verlauf stark karikierenden Gedichten bei seinen Zeitgenossen unbeliebt gemacht, ja sich mit ihnen zerstritten hat? Sentimentalem Kitsch von "Blümelein", "Mägdelein" und murmelnden Bachläufen, kurz dieser "dünnblütigen Romantik", hat Heine lebenspralle Wahrheit entgegen geworfen. Weil er der Ironie mächtig war, seine Gegner aber nur mächtig, waren Missverständnisse unausweichlich.
Es ging sogar soweit, dass einige, darunter Heines früherer Freund Ludwig Börne, ihm vorwarfen, Geld vom französischen Staat bekommen zu haben. Wie zuvor schon sein freilich kaum öffentlich gelebtes Judentum und seine um so offeneren Liebschaften diente dies seinen Feinden als Anlass, sich der unbequemen Gedanken eines freien Geistes zu entledigen.
"Er verliert die Realität nicht aus den Augen", nennt das Werner Müller. Wiegt Heine seine Leser und Zuhörer zu Beginn noch in trügerischer Sicherheit, stürzen seine Verse früher oder später ab - nicht qualitativ, sondern inhaltlich. Die Brüche und Pointen sind dabei kaum zu erahnen, so perfekt hat er zuvor die lyrischen Kulissen gebaut, die er dann kunstvoll einzureißen weiß.
Die Welt, der Mensch und all ihre Schwächen benennt er in einer politisch unruhigen Zeit (Juli-Revolution in Frankreich 1830, Februar-Revolution in Deutschland 1848), in der die Industrialisierung und der Kapitalismus ihr wahres Gesicht zeigen, etwa beim Weberaufstand in Schlesien 1844. Über den hatte Heine eines seiner berühmtesten Poeme verfasst. Und an anderer Stelle den weisen Satz fallen lassen: "Man macht aus deutschen Eichen keine Galgen für die Reichen." Daneben widmete er viele Seiten der Liebe ("Kichern, Kosen und Küssen") und ihren Auswüchsen - wohlgemerkt nicht in Form kleiner Kinder.
Heine ist Werner Müllers "Lieblingsdichter". Auch wenn dem Nürnberger, der seit 14 Jahren in Weißenohe lebt, dabei seine pantomimischen Fähigkeiten kaum helfen. Denn Heines bittere Spottverse, seine unnachahmlichen Liebesgedichte, seine scharfe politische Sicht lassen jenseits der Zeilen wenig Raum für einen Rezitator.
Auch dass Heine seine Frau Mathilde immer montags geschlagen hat, erfährt der Zuhörer, obwohl sie viel mehr Grund und körperliche Kraft dazu gehabt hätte.
Während Heines Gedichte stets eine spielerische, ja heitere Wendung nehmen, hat sein Leben diese verpasst: Anfeindungen, Ermittlungen, Exil in Paris und dort der Ausbruch einer langwierigen, äußerst schmerzhaften Krankheit. Noch in seiner "Matratzengruft" hat er, körperlich fast vollständig gelähmt und finanziell nicht auf Rosen gebettet, seine literarischen Pfeile abgeschossen. Und dabei Philister, Heuchler, Antisemiten und Nationalisten getroffen.
Diese rächten sich nach seinem Tod mit Schulbüchern, in denen seine "Loreley" als "nicht deutsch genug" angegriffen wurde. Und sie wollten verhindern, dass die Universität Düsseldorf nach ihm benannt wurde. Nicht im Wilhelminischen Kaiserreich, sondern in der Bundesrepublik.
Erst 1989 kam die Wende zugunsten Heines. Ein später Triumph für einen, dessen Onkel Salomon von ihm gesagt hatte: "Wenn der dumme Junge gelernt hätte, bräuchte er nicht zu schreiben Bücher."

Originalbericht enthält Foto, das wir aus rechtlichen Gründen nicht hier einstellen dürfen

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