Geschichte Der Anwalt hat 1934 vor dem Sondergericht Bamberg Konrad Körber aus Neunkirchen am Brand verteidigt. Die Gestapo hatte einen Brief abgefangen, in dem der Bäckermeister Kritik am "Fall Gaiganz" geäußert hat.
VON UNSEREM MITARBEITER Manfred Franze
Kreis Forchheim - Am 3. Juli werden es 70 Jahre, dass der Bamberger Rechtsanwalt Hans Wölfel durch die Nationalsozialisten hingerichtet wurde. Die Stadt Bamberg hat ihm ein Ehrengrab und eine Straße, das Oberlandesgericht und das Kaiser-Heinrich-Gymnasium Gedenktafeln gewidmet. Was war sein Verdienst und warum soll an ihn die Erinnerung wach gehalten werden? "Die bestehende Literatur", schreibt Alwin Reindl im neuesten Bericht des Historischen Vereins Bamberg, "hebt hervor, dass Hans Wölfel der Anwalt einfacher, unbemittelter Bürger und Verteidiger politisch Verfolgter gewesen sei."
Das "Bild des Arme-Leute-Leute-Anwalts", der geschickt Nazi-Gegner verteidigte und sich selbst in katholischen Laienorganisationen engagierte, zieht sich tatsächlich durch alle über ihn veröffentlichten Darstellungen. Thomas Dehler (1897 bis 1967), der erste Justizminister der Bundesrepublik und spätere FDP-Bundesvorsitzende, war der erste, der ihn 1946 als "tatkräftigen, gescheiten, aufgeschlossenen, immer innerlich bewegten und opferwilligen Kämpfer" gegen den nationalsozialistischen Unrechtsstaat würdigte.
In der ersten FT-Ausgabe
Dehler war damals Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht Bamberg und kommissarisch eingesetzter Landrat des Landkreises Bamberg. Er beklagte in der ersten Ausgabe des Fränkischen Tags - am 8. Januar 1946 - in seinem dreispaltigen Artikel, dass gerade eine Persönlichkeit wie Wölfel jetzt fehle, wenn "wir daran gehen, einen neuen, anständigen deutschen Staat zu bauen".
Warum wäre gerade Wölfel so wichtig für den Neuanfang gewesen? Weil er - so Reindl in seinem Aufsatz "Hans Wölfel vor dem Sondergericht Bamberg" - "Hunderten von Bamberg Bürgern Helfer vor Gericht gewesen" ist, wenn sie nach dem bereits 1933 eingeführten "Heimtückegesetz" vor dem "Sondergericht" standen.
Zwar ist auch Reindl der Meinung, "dass sich die Bamberger Richter in ihren Urteilen an die bestehenden Gesetze hielten" und ihre Rechtsprechung im damals üblichen Rahmen geblieben ist.
Aber in den "rund 1800 Fällen", die im Staatsarchiv und im Archiv des Erzbistums Bamberg überliefert sind, waren es "nahezu ausschließlich Bauern, Arbeiter, kleine Geschäftsleute", die wegen ihrer "kritischen oder auch empörten Bemerkungen" gegen das Nazi-Regime angeklagt wurden. Und die wussten meist nicht, "wie sie sich vor Gericht verhalten" und schon gar nicht, wie sie einen eigenen Anwalt finanzieren sollten. Unter ihnen sprach sich sehr schnell herum, wer ihnen in ihrer Not helfen konnte.
Zehn Fälle untersucht
Reindl untersucht in seinem Aufsatz insgesamt zehn Fälle, in denen Wölfel als Anwalt der "kleinen Leuten" in unserer Region tätig geworden ist. Am spektakulärsten war der "Fall Gaiganz". Hier hatte in der Nacht zum 22. Mai 1933 der Dienstknecht Lorenz Schriefer aus Eifersucht den Malergesellen Josef Wiesheier beim Fensterln niedergeschlagen und im Dorfweiher ertrinken lassen. Weil das Opfer Adolf Hitlers SA (Sturm-Abteilungen) und der Täter der katholisch-konservativen Bayernwacht angehörte, konstruierten die Nationalsozialisten aus dem Totschlag einen politischen Mord.
Schriefer wurde vom Schwurgericht Bamberg zum Tode verurteilt und am 9. September 1933 in Ebrach hingerichtet. Unmittelbar nach der Tat wurden aber auch 19 Bürger als vermeintliche Mitverschwörer in Schutzhaft genommen und zum Teil über sechs Monate in Haft gelassen. Obwohl im Dorf nach wie vor erzählt wird, dass Wölfel sie "aus dem Gefängnis geholt hat", finden sich dafür "weder Gerichts- noch Verwaltungsakten". Sicher ist nur, dass der "letzte von ihnen, Altbürgermeister Johann Greif", von Wölfel persönlich mit dem Auto nach Hause gebracht wurde.
Gestapo fängt Körbers Brief ab
Einen direkten Beleg für Wölfels anwaltliche Tätigkeit im Falle Gaiganz hat Reindl in einer anderen Akte gefunden, nämlich bei der Verteidigung des Bäckermeisters Konrad Körber aus Neunkirchen am Brand. Körber war einer der aktivsten BVP-Funktionäre im Kreis Forchheim und hatte in einem Brief an den Bamberger Geschäftsführer seiner Partei die Meinung vertreten, die NSDAP habe den Totschlag in Gaiganz "bewusst zu einer politischen Angelegenheit gemacht, obwohl sie vom Gegenteil gewusst habe".
Die Geheime Staatspolizei (Gestapo) hatte den Brief abgefangen. Körber wurde in Schutzhaft genommen und am 25. Januar 1934 wegen "gemeinschädlicher Verleumdung" zu einem Monat Gefängnis verurteilt.
Straferlass angestrebt
Wölfel versuchte nun, für Körber einen Straferlass zu erwirken. Das war "ein gefährliches Spiel", weil er mit der "unberechenbaren Reaktion von namenlosen Partei- beziehungsweise SA-Größen" zu rechnen hatte.
Geschickt stellte er sich deswegen auf die Argumentation der Machthaber ein, verhandelte persönlich mit dem Sonderkommissar Hans Rammensee, der im Falle Gaiganz und auch bei Körber die Schutzhaft angeordnet hatte, und suchte so Verständnis für seinen Klienten zu gewinnen. Ob er damit Erfolg hatte, ist aus den Akten nicht ersichtlich, wohl aber, dass er tatsächlich - wie er in einem Brief darlegt - "sämtliche Schutzhäftlinge von Gaiganz vertreten" hat.
Dass er dabei manchmal auch auf sein Honorar verzichtete, ist in Alfons Egers Gaiganzer Dorfchronik nachzulesen. Als Egers Großvater bei Wölfel monierte: "Wegen Ihnen ist mein Sohn keine Minute eher herausgekommen", wurde ihm sogar "die Rechnung erlassen".
Tragisches Ende
Auf das tragische Ende Hans Wölfels geht Reindl in seinem Aufsatz nicht ein, weil es seit Dehler schon wiederholt dargestellt wurde. Als Wölfel im Juli 1943 mit seiner Familie bei Verwandten im Allgäu Urlaub macht, äußerte er im vertrauten Kreis, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen und Hitler "der größte Wortverdreher aller Zeiten" sei. Das hörte eine zufällig anwesende junge Frau, die Mitglied der NSDAP war, und denunzierte ihn bei der Gestapo. Wölfel wurde verhaftet und nach vier Wochen Haft im November 1943 von Bamberg nach Berlin-Moabit überführt. Am 10. Mai 1944 verurteilte ihn der Volksgerichtshof wegen "Wehrkraftzersetzung" zum Tod und "lebenslangen Ehrverlust".
Nach Ablehnung eines Gnadengesuchs wurde er in das Exekutionszuchthaus Brandenburg an der Havel überstellt und hier am 3. Juli mit 13 anderen Häftlingen mit dem Fallbeil hingerichtet.
Ein Abschiedsbrief
Im Abschiedsbrief, den er kurz vor seinem Tod geschrieben hat, bat er seine Frau und seine Tochter: "... weinet nicht zu sehr um mich, denkt an mein Glück im Himmel oben, das alle Erwartungen und Hoffnungen übertrifft. Betet für mein Seelenheil! Ich umarme und küsse Euch nochmals innig im Geiste, in der festen Hoffnung auf ein Wiedersehen im Jenseits. Die Liebe ist stärker als der Tod."
Seit 2011 pflegt ein eigener Förderkreis die Erinnerung an Hans Wölfel durch eine eigene Internetseite, Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien und jährliche Gedenkfeiern an seinem Todestag. Auf dem Foto die aktuelle Vorstandschaft: V. l.n.r.: Schriftführer Alwin Reindl, stellvertretende Vorsitzende Martina Leuteritz, Rechtsanwältin, und Vorsitzender Gerhard Förch, Domkapitular und Dompfarrer.
VON UNSEREM MITARBEITER Manfred Franze
Kreis Forchheim - Am 3. Juli werden es 70 Jahre, dass der Bamberger Rechtsanwalt Hans Wölfel durch die Nationalsozialisten hingerichtet wurde. Die Stadt Bamberg hat ihm ein Ehrengrab und eine Straße, das Oberlandesgericht und das Kaiser-Heinrich-Gymnasium Gedenktafeln gewidmet. Was war sein Verdienst und warum soll an ihn die Erinnerung wach gehalten werden? "Die bestehende Literatur", schreibt Alwin Reindl im neuesten Bericht des Historischen Vereins Bamberg, "hebt hervor, dass Hans Wölfel der Anwalt einfacher, unbemittelter Bürger und Verteidiger politisch Verfolgter gewesen sei."
Das "Bild des Arme-Leute-Leute-Anwalts", der geschickt Nazi-Gegner verteidigte und sich selbst in katholischen Laienorganisationen engagierte, zieht sich tatsächlich durch alle über ihn veröffentlichten Darstellungen. Thomas Dehler (1897 bis 1967), der erste Justizminister der Bundesrepublik und spätere FDP-Bundesvorsitzende, war der erste, der ihn 1946 als "tatkräftigen, gescheiten, aufgeschlossenen, immer innerlich bewegten und opferwilligen Kämpfer" gegen den nationalsozialistischen Unrechtsstaat würdigte.
In der ersten FT-Ausgabe
Dehler war damals Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht Bamberg und kommissarisch eingesetzter Landrat des Landkreises Bamberg. Er beklagte in der ersten Ausgabe des Fränkischen Tags - am 8. Januar 1946 - in seinem dreispaltigen Artikel, dass gerade eine Persönlichkeit wie Wölfel jetzt fehle, wenn "wir daran gehen, einen neuen, anständigen deutschen Staat zu bauen".
Warum wäre gerade Wölfel so wichtig für den Neuanfang gewesen? Weil er - so Reindl in seinem Aufsatz "Hans Wölfel vor dem Sondergericht Bamberg" - "Hunderten von Bamberg Bürgern Helfer vor Gericht gewesen" ist, wenn sie nach dem bereits 1933 eingeführten "Heimtückegesetz" vor dem "Sondergericht" standen.
Zwar ist auch Reindl der Meinung, "dass sich die Bamberger Richter in ihren Urteilen an die bestehenden Gesetze hielten" und ihre Rechtsprechung im damals üblichen Rahmen geblieben ist.
Aber in den "rund 1800 Fällen", die im Staatsarchiv und im Archiv des Erzbistums Bamberg überliefert sind, waren es "nahezu ausschließlich Bauern, Arbeiter, kleine Geschäftsleute", die wegen ihrer "kritischen oder auch empörten Bemerkungen" gegen das Nazi-Regime angeklagt wurden. Und die wussten meist nicht, "wie sie sich vor Gericht verhalten" und schon gar nicht, wie sie einen eigenen Anwalt finanzieren sollten. Unter ihnen sprach sich sehr schnell herum, wer ihnen in ihrer Not helfen konnte.
Zehn Fälle untersucht
Reindl untersucht in seinem Aufsatz insgesamt zehn Fälle, in denen Wölfel als Anwalt der "kleinen Leuten" in unserer Region tätig geworden ist. Am spektakulärsten war der "Fall Gaiganz". Hier hatte in der Nacht zum 22. Mai 1933 der Dienstknecht Lorenz Schriefer aus Eifersucht den Malergesellen Josef Wiesheier beim Fensterln niedergeschlagen und im Dorfweiher ertrinken lassen. Weil das Opfer Adolf Hitlers SA (Sturm-Abteilungen) und der Täter der katholisch-konservativen Bayernwacht angehörte, konstruierten die Nationalsozialisten aus dem Totschlag einen politischen Mord.
Schriefer wurde vom Schwurgericht Bamberg zum Tode verurteilt und am 9. September 1933 in Ebrach hingerichtet. Unmittelbar nach der Tat wurden aber auch 19 Bürger als vermeintliche Mitverschwörer in Schutzhaft genommen und zum Teil über sechs Monate in Haft gelassen. Obwohl im Dorf nach wie vor erzählt wird, dass Wölfel sie "aus dem Gefängnis geholt hat", finden sich dafür "weder Gerichts- noch Verwaltungsakten". Sicher ist nur, dass der "letzte von ihnen, Altbürgermeister Johann Greif", von Wölfel persönlich mit dem Auto nach Hause gebracht wurde.
Gestapo fängt Körbers Brief ab
Einen direkten Beleg für Wölfels anwaltliche Tätigkeit im Falle Gaiganz hat Reindl in einer anderen Akte gefunden, nämlich bei der Verteidigung des Bäckermeisters Konrad Körber aus Neunkirchen am Brand. Körber war einer der aktivsten BVP-Funktionäre im Kreis Forchheim und hatte in einem Brief an den Bamberger Geschäftsführer seiner Partei die Meinung vertreten, die NSDAP habe den Totschlag in Gaiganz "bewusst zu einer politischen Angelegenheit gemacht, obwohl sie vom Gegenteil gewusst habe".
Die Geheime Staatspolizei (Gestapo) hatte den Brief abgefangen. Körber wurde in Schutzhaft genommen und am 25. Januar 1934 wegen "gemeinschädlicher Verleumdung" zu einem Monat Gefängnis verurteilt.
Straferlass angestrebt
Wölfel versuchte nun, für Körber einen Straferlass zu erwirken. Das war "ein gefährliches Spiel", weil er mit der "unberechenbaren Reaktion von namenlosen Partei- beziehungsweise SA-Größen" zu rechnen hatte.
Geschickt stellte er sich deswegen auf die Argumentation der Machthaber ein, verhandelte persönlich mit dem Sonderkommissar Hans Rammensee, der im Falle Gaiganz und auch bei Körber die Schutzhaft angeordnet hatte, und suchte so Verständnis für seinen Klienten zu gewinnen. Ob er damit Erfolg hatte, ist aus den Akten nicht ersichtlich, wohl aber, dass er tatsächlich - wie er in einem Brief darlegt - "sämtliche Schutzhäftlinge von Gaiganz vertreten" hat.
Dass er dabei manchmal auch auf sein Honorar verzichtete, ist in Alfons Egers Gaiganzer Dorfchronik nachzulesen. Als Egers Großvater bei Wölfel monierte: "Wegen Ihnen ist mein Sohn keine Minute eher herausgekommen", wurde ihm sogar "die Rechnung erlassen".
Tragisches Ende
Auf das tragische Ende Hans Wölfels geht Reindl in seinem Aufsatz nicht ein, weil es seit Dehler schon wiederholt dargestellt wurde. Als Wölfel im Juli 1943 mit seiner Familie bei Verwandten im Allgäu Urlaub macht, äußerte er im vertrauten Kreis, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen und Hitler "der größte Wortverdreher aller Zeiten" sei. Das hörte eine zufällig anwesende junge Frau, die Mitglied der NSDAP war, und denunzierte ihn bei der Gestapo. Wölfel wurde verhaftet und nach vier Wochen Haft im November 1943 von Bamberg nach Berlin-Moabit überführt. Am 10. Mai 1944 verurteilte ihn der Volksgerichtshof wegen "Wehrkraftzersetzung" zum Tod und "lebenslangen Ehrverlust".
Nach Ablehnung eines Gnadengesuchs wurde er in das Exekutionszuchthaus Brandenburg an der Havel überstellt und hier am 3. Juli mit 13 anderen Häftlingen mit dem Fallbeil hingerichtet.
Ein Abschiedsbrief
Im Abschiedsbrief, den er kurz vor seinem Tod geschrieben hat, bat er seine Frau und seine Tochter: "... weinet nicht zu sehr um mich, denkt an mein Glück im Himmel oben, das alle Erwartungen und Hoffnungen übertrifft. Betet für mein Seelenheil! Ich umarme und küsse Euch nochmals innig im Geiste, in der festen Hoffnung auf ein Wiedersehen im Jenseits. Die Liebe ist stärker als der Tod."
Seit 2011 pflegt ein eigener Förderkreis die Erinnerung an Hans Wölfel durch eine eigene Internetseite, Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien und jährliche Gedenkfeiern an seinem Todestag. Auf dem Foto die aktuelle Vorstandschaft: V. l.n.r.: Schriftführer Alwin Reindl, stellvertretende Vorsitzende Martina Leuteritz, Rechtsanwältin, und Vorsitzender Gerhard Förch, Domkapitular und Dompfarrer.