Klavierquartette in Neunkirchen mit viel Atmosphäre
VON UDO GÜLDNER
Selten zu hörende Klavierquartette von Mozart, Brahms und Mahler haben über 150 Musikfreunde ins Katholische Pfarrgemeindehaus Neunkirchen gelockt. Minutenlang anhaltender Jubel nach zweieinhalb Stunden hat das Quartett verabschiedet. Einige Zuhörer waren nach dem beeindruckend intensiven Kammermusikabend gar den Tränen nahe.
Für Johannes Brahms lief es Anfang der 1850er Jahre nicht gut. Aus seiner innigen Freundschaft mit Clara Schumann wurde nichts Größeres. Sein Seelenverwandter und musikalischer Förderer Robert Schumann wurde nervenkrank in eine Irrenanstalt eingeliefert. Und beruflich hagelte es Rückschläge. Sein Perfektionismus und seine neue Tonsprache sorgten bei Verlegern, Publikum und Musikern für Unverständnis und Ablehnung. In dieser Krise wagte sich Brahms in schöpferischer Verzweiflung an die Komposition von vier Klavierquartetten.
Das erste ist in Neunkirchen nach rund einem Vierteljahrhundert im Rahmen der Konzertreihe Peter Lichtenbergers wieder zu hören. Mit viel Esprit und Energie, unbekümmert und sinnlich zugleich, interpretieren die Kopenhagenerin Marianna Shirinyan (Piano) sowie Anton Barachovsky (Violine), Benedict Hames (Viola) und Sebastian Klinger (Violoncello) vom Symphonieorchster des Bayerischen Rundfunks dessen orchestralen Gestus, die auf die zeitgleich entstandene Erste Sinfonie hinweist. Von der dynamischen Vitalität des Allegro, das wie im Fieber den erregten Noten folgt, um in völlige Erschöpfung zu versinken, bis zum als Scherzo angelegten Intermezzo. Das setzt die unheimliche Unruhe in leisen, gedämpften Tönen fort (con sordino).
Das bewegende und bewegte Andante marschiert mit beinahe tänzerischer Morbidität auf das Ende zu. Zuletzt sorgt das Rondo alla Zingarese, ein von Zigeunerweisen inspiriertes Finale, das an Brahms' "Ungarische Tänze" erinnert, für einen effektvoll feurigen Schluss.
Frische bei Mozart
Mit Mozarts zwei Klavierquartetten beginnt ein halbes Jahrhundert vor Brahms eine musikalische Gattung, die stets im Schatten des erfolgreicheren Klaviertrios, mit dem es nicht verwandt ist, stand. Das Zusammenspiel der vier Musiker atmet in Mozarts Melodien (Es-Dur KV 493) unerhörte Frische und Klarheit, nicht nur im verspielten Allegro, das singende Instrumente und opernhafte Struktur offenbart. Vielleicht weil Mozart gerade eben seine "Nozze di Figaro" zu Papier gebracht hatte.
Auch das beseelte, metaphysisch tiefgründige Larghetto und das beinahe schwerelosen Allegretto gelingen mit feinsinniger Meisterschaft. Dabei prallen Sinnlichkeit und melancholischer Schmerz fruchtbar aufeinander. Während das Streichquartett ein dichtes Gespinst dialogischer und ab der Wiener Klassik auch gleichberechtigter Instrumentierung aller vier Musiker ist, erweckt das Klavierquartett vielmehr den Eindruck konzertanter Gegenüberstellung. Das Klavier hat es mit den Streichern aufzunehmen, der Klang wird dadurch weniger kammermusikalisch, sondern eher etwas für den Konzertsaal.
Dabei muss die gebürtige Armenierin Marianna Shirinyan am Konzertflügel aufpassen, ihre Kollegen nicht zuzudecken, was ihr mit viel Gespür für Balance und Sensibiliät gelingt.
Neben den Heroen des Klavierquartetts kommt mit einem Fragment auch Gustav Mahler vor. Der a-Moll-Satz ist ein Frühwerk des Spätromantikers, das zwischen ungestümer und abgeklärter Stimmung schwankt und eine ergreifende Intimität ausstrahlt.
Der klagend-melancholischen Färbung stellen sich lyrische und dramatische Passagen packend entgegen. Ein leidenschaftlicher Satz, der den ausführenden Musikern alles abverlangt, auch und gerade beim für Mahler so charakteristisch absterbenden Klang (morendo).
Zu einer Zugabe kommt es nicht. Aber nicht, weil das Publikum nicht frenetisch genug applaudiert oder mit Bravi-Rufen gespart hätte. Der spannungsgeladenen, anrührenden Atmosphäre hätte ein weiteres Werk wohl nur geschadet.
ⓘ Das nächste Neunkirchener Konzert findet am 12. Juli um 19 Uhr statt. Dann gastiert das Armida-Quartett mit Streichquartetten Schuberts und Smetanas.
Karten und Infos unter Telefon (0 91 34) 18 37 und im Internet unter www.neunkirchener-konzerte. de
VON UDO GÜLDNER
Selten zu hörende Klavierquartette von Mozart, Brahms und Mahler haben über 150 Musikfreunde ins Katholische Pfarrgemeindehaus Neunkirchen gelockt. Minutenlang anhaltender Jubel nach zweieinhalb Stunden hat das Quartett verabschiedet. Einige Zuhörer waren nach dem beeindruckend intensiven Kammermusikabend gar den Tränen nahe.
Für Johannes Brahms lief es Anfang der 1850er Jahre nicht gut. Aus seiner innigen Freundschaft mit Clara Schumann wurde nichts Größeres. Sein Seelenverwandter und musikalischer Förderer Robert Schumann wurde nervenkrank in eine Irrenanstalt eingeliefert. Und beruflich hagelte es Rückschläge. Sein Perfektionismus und seine neue Tonsprache sorgten bei Verlegern, Publikum und Musikern für Unverständnis und Ablehnung. In dieser Krise wagte sich Brahms in schöpferischer Verzweiflung an die Komposition von vier Klavierquartetten.
Das erste ist in Neunkirchen nach rund einem Vierteljahrhundert im Rahmen der Konzertreihe Peter Lichtenbergers wieder zu hören. Mit viel Esprit und Energie, unbekümmert und sinnlich zugleich, interpretieren die Kopenhagenerin Marianna Shirinyan (Piano) sowie Anton Barachovsky (Violine), Benedict Hames (Viola) und Sebastian Klinger (Violoncello) vom Symphonieorchster des Bayerischen Rundfunks dessen orchestralen Gestus, die auf die zeitgleich entstandene Erste Sinfonie hinweist. Von der dynamischen Vitalität des Allegro, das wie im Fieber den erregten Noten folgt, um in völlige Erschöpfung zu versinken, bis zum als Scherzo angelegten Intermezzo. Das setzt die unheimliche Unruhe in leisen, gedämpften Tönen fort (con sordino).
Das bewegende und bewegte Andante marschiert mit beinahe tänzerischer Morbidität auf das Ende zu. Zuletzt sorgt das Rondo alla Zingarese, ein von Zigeunerweisen inspiriertes Finale, das an Brahms' "Ungarische Tänze" erinnert, für einen effektvoll feurigen Schluss.
Frische bei Mozart
Mit Mozarts zwei Klavierquartetten beginnt ein halbes Jahrhundert vor Brahms eine musikalische Gattung, die stets im Schatten des erfolgreicheren Klaviertrios, mit dem es nicht verwandt ist, stand. Das Zusammenspiel der vier Musiker atmet in Mozarts Melodien (Es-Dur KV 493) unerhörte Frische und Klarheit, nicht nur im verspielten Allegro, das singende Instrumente und opernhafte Struktur offenbart. Vielleicht weil Mozart gerade eben seine "Nozze di Figaro" zu Papier gebracht hatte.
Auch das beseelte, metaphysisch tiefgründige Larghetto und das beinahe schwerelosen Allegretto gelingen mit feinsinniger Meisterschaft. Dabei prallen Sinnlichkeit und melancholischer Schmerz fruchtbar aufeinander. Während das Streichquartett ein dichtes Gespinst dialogischer und ab der Wiener Klassik auch gleichberechtigter Instrumentierung aller vier Musiker ist, erweckt das Klavierquartett vielmehr den Eindruck konzertanter Gegenüberstellung. Das Klavier hat es mit den Streichern aufzunehmen, der Klang wird dadurch weniger kammermusikalisch, sondern eher etwas für den Konzertsaal.
Dabei muss die gebürtige Armenierin Marianna Shirinyan am Konzertflügel aufpassen, ihre Kollegen nicht zuzudecken, was ihr mit viel Gespür für Balance und Sensibiliät gelingt.
Neben den Heroen des Klavierquartetts kommt mit einem Fragment auch Gustav Mahler vor. Der a-Moll-Satz ist ein Frühwerk des Spätromantikers, das zwischen ungestümer und abgeklärter Stimmung schwankt und eine ergreifende Intimität ausstrahlt.
Der klagend-melancholischen Färbung stellen sich lyrische und dramatische Passagen packend entgegen. Ein leidenschaftlicher Satz, der den ausführenden Musikern alles abverlangt, auch und gerade beim für Mahler so charakteristisch absterbenden Klang (morendo).
Zu einer Zugabe kommt es nicht. Aber nicht, weil das Publikum nicht frenetisch genug applaudiert oder mit Bravi-Rufen gespart hätte. Der spannungsgeladenen, anrührenden Atmosphäre hätte ein weiteres Werk wohl nur geschadet.
ⓘ Das nächste Neunkirchener Konzert findet am 12. Juli um 19 Uhr statt. Dann gastiert das Armida-Quartett mit Streichquartetten Schuberts und Smetanas.
Karten und Infos unter Telefon (0 91 34) 18 37 und im Internet unter www.neunkirchener-konzerte. de