Historie Auch wenn die Synagoge im Jahr 2002 wegen irreparabler Schäden abgetragen werden musste, bleibt das jüdische Erbe in Dormitz wach. Allein die Mikwe atmet den Geist einer eindrucksvollen Geschichte.
von Rolf Kießling
Dormitz - Die Gemeinde Dormitz zählte im 18. und 19. Jahrhundert zu den sogenannten Judendörfern in Franken. Gemeint waren damit Orte mit einem hohen jüdischen Bevölkerungsanteil. 1824 lebten 110 jüdische Einwohner im Dorf. Die jüdischen Kinder besuchten gemeinsam mit den christlichen, meist katholischen Schülern die Dorfschule, den Religionsunterricht erteilte ihnen jedoch der jüdische Lehrer Bernhard Lövi.
Zu einem Rundgang durch das jüdische Dormitz jetzt hatte der Freundeskreis Synagoge Ermreuth eingeladen. Etwa 50 Personen, Einheimische, aber auch viele Auswärtige, nahmen an der Führung teil. Leider finden sich nur noch wenige Spuren jüdischen Lebens in Dormitz. Besonders eindrucksvoll ist die Mikwe im Anwesen Hauptstraße 16. Die Synagoge auf dem Nachbargrundstück ist hingegen nicht mehr vorhanden.
Handel mit Schnittwaren
"Dreierlei Juden" lebten im 18. Jahrhundert in dem Dorf an der südlichen Grenze des Fürstbistums Bamberg. Grund dafür waren die Lehensverhältnisse. In Dormitz wohnten nicht nur Untertanen des Bischofs von Bamberg, sondern auch Untertanen der Markgrafen von Bayreuth.
Andere Anwesen waren nürnbergische, wieder andere ritter-schaftliche Lehen. Nur wenn ein Jude einen Schutzbrief vom einem der Lehensherren besaß, konnte er sich mit seiner Familie in dem Dorf niederlassen. Nur auf den Nürnberger Lehen durften sich keine Juden niederlassen.
Die Reichsstadt Nürnberg hatte 1499 alle Juden vertrieben und duldete auch in den zu Nürnberg gehörenden Dörfern und Lehen keine Juden. Ihren Lebensunterhalt verdienten sich die meisten Dormitzer Juden mit dem Schnittwarenhandel. Sie zogen als Hausierer in die umliegenden Ortschaften. Die markgräflichen Schutzjuden hatten das Recht, ihre Waren in den Dörfern der Markgrafschaft Uttenreuth und in der Stadt Erlangen feilzubieten.
Auch mehrere jüdische Viehhändler waren in Dormitz ansässig. Jüdische Metzger schlachteten die Tiere entsprechend den religiösen Vorschriften. Erst im 19. Jahrhundert konnten Juden weitere Handwerksberufe ausüben und waren in Dormitz als Seiler oder Weber oder Buchbinder tätig. Auch der Handel mit Hopfen und anderen landwirtschaftlichen Produkten war eine wichtige Einnahmequelle.
Ihre Toten beerdigte die jüdische Gemeinde von Dormitz in Baiersdorf.
Ingo Hommel, der Besitzer des Anwesens Hauptstraße 16, berichtete über die Mikwe, die auf seinem Grund unmittelbar an der Hauptstraße steht. Das jüdische Ritualbad, das jüdische Frauen regelmäßig aufsuchen mussten, bestand schon im 18. Jahrhundert. Eine steile Treppe führte hinab in ein Kellergewölbe, in dem sich das Grundwasser in einem Becken sammelte und ständig erneuerte.
Bauplan aus dem Jahr 1775
Im 19. Jahrhundert wurde die Mikwe modernisiert. Heute wird das Gebäude als Lagerraum genutzt. Auch Hommels Wohnhaus gibt Zeugnis von der jüdischen Geschichte des Dorfes. Ein alter Bauplan aus dem Jahre 1775 weist das Gebäude als Besitz von Lämmlein und Simon Jondorf aus. Jondorf ist kein Familienname, sondern der hebräische Name Jomtow.
Der kinderlose Simon Jondorf nannte sich Hofmeyer und vererbte seinen Anteil am Haus seinem Neffen Jakob Hofmeyer. Dieser betrieb einen Laden für Spezerei- und Schnittwaren. Die Ladentür zur Straße hin ist heute noch zu erkennen. Tochter Therese übernahm das Geschäft. Sie war mit David Schulherr aus Pahres bei Neustadt/Aisch verheiratet.
Von der Synagoge auf dem Nachbargrundstück Hauptstraße 18 ist heute nichts mehr zu sehen. 1740 wurde ein erster Bauplan vorgelegt, der aber vermutlich erst Jahre später ausgeführt wurde. Die Synagoge sollte an die bestehende Judenschule angebaut werden. Wann genau dies geschah, ist nicht überliefert.
Laut dem Grundsteuerkataster hat die jüdische Gemeinde Dormitz die Synagoge "im Jahre 1766 von den David Katz'schen Eheleuten ohne Anschlag mittelst Schenkung erhalten". Als fast alle Juden aus Dormitz fortgezogen waren, verkaufte im Jahre 1919 die Kultusgemeinde Erlangen, die damals im Besitz der Synagoge war, das Gebäude an einen Privatmann.
Spektakulärer Fund
In der NS-Zeit blieb die Synagoge verschont, sie wurde ja nicht mehr als jüdisches Bethaus genutzt. Sie soll vielmehr Versammlungsraum der Bayern-wacht, also von Nazi-Gegnern, gewesen sein. Nach dem Zweiten Weltkrieg verloren sogar die Kunsthistoriker das historische Bauwerk aus dem Blick. Trotz der noch vorhandenen Rokoko-Stuckdecke und des reich verzierten Misrach-Fensters war die Synagoge von Dormitz selbst Fachleuten unbekannt.
Erst in den 1990er-Jahren interessierte sich der Denkmalschutz für das Gebäude und verlangte Bestandssicherung. Doch der Verfall ging weiter. Angeblich wütete der Wirbelsturm Wibke 1991 so sehr, dass irreparable Schäden entstanden. 2002 wurde die Synagoge endgültig abgetragen.
Die von außen sehr schlichte Dorfsynagoge von Dormitz hatte - wie andere Landsynagogen auch - eine Genisa auf dem Dachboden. Dort wurden fromme Schriften und Bücher, die nicht mehr im Gebrauch waren, aufbewahrt. Ein spektakulärer Fund war ein Siddur, ein kleinformatiges Gebetbuch, das 218 Blätter umfasst. Die Pergamenthandschrift wurde vom Besitzer der Synagoge an den Freistaat Bayern verkauft.
Allerdings waren die Blätter durch Feuchtigkeit und Hitze in starkem Maß beschädigt. Diese Schäden machten eine aufwendige Restaurierung notwendig. Heute wird der "Bamberger Siddur", der bereits vor 1600 niedergeschrieben wurde, in der Staatsbibliothek Bamberg aufbewahrt. Man könnte aber ebenso gut in diesem Zusammenhang vom "Dormitzer Siddur" sprechen.
von Rolf Kießling
Dormitz - Die Gemeinde Dormitz zählte im 18. und 19. Jahrhundert zu den sogenannten Judendörfern in Franken. Gemeint waren damit Orte mit einem hohen jüdischen Bevölkerungsanteil. 1824 lebten 110 jüdische Einwohner im Dorf. Die jüdischen Kinder besuchten gemeinsam mit den christlichen, meist katholischen Schülern die Dorfschule, den Religionsunterricht erteilte ihnen jedoch der jüdische Lehrer Bernhard Lövi.
Zu einem Rundgang durch das jüdische Dormitz jetzt hatte der Freundeskreis Synagoge Ermreuth eingeladen. Etwa 50 Personen, Einheimische, aber auch viele Auswärtige, nahmen an der Führung teil. Leider finden sich nur noch wenige Spuren jüdischen Lebens in Dormitz. Besonders eindrucksvoll ist die Mikwe im Anwesen Hauptstraße 16. Die Synagoge auf dem Nachbargrundstück ist hingegen nicht mehr vorhanden.
Handel mit Schnittwaren
"Dreierlei Juden" lebten im 18. Jahrhundert in dem Dorf an der südlichen Grenze des Fürstbistums Bamberg. Grund dafür waren die Lehensverhältnisse. In Dormitz wohnten nicht nur Untertanen des Bischofs von Bamberg, sondern auch Untertanen der Markgrafen von Bayreuth.
Andere Anwesen waren nürnbergische, wieder andere ritter-schaftliche Lehen. Nur wenn ein Jude einen Schutzbrief vom einem der Lehensherren besaß, konnte er sich mit seiner Familie in dem Dorf niederlassen. Nur auf den Nürnberger Lehen durften sich keine Juden niederlassen.
Die Reichsstadt Nürnberg hatte 1499 alle Juden vertrieben und duldete auch in den zu Nürnberg gehörenden Dörfern und Lehen keine Juden. Ihren Lebensunterhalt verdienten sich die meisten Dormitzer Juden mit dem Schnittwarenhandel. Sie zogen als Hausierer in die umliegenden Ortschaften. Die markgräflichen Schutzjuden hatten das Recht, ihre Waren in den Dörfern der Markgrafschaft Uttenreuth und in der Stadt Erlangen feilzubieten.
Auch mehrere jüdische Viehhändler waren in Dormitz ansässig. Jüdische Metzger schlachteten die Tiere entsprechend den religiösen Vorschriften. Erst im 19. Jahrhundert konnten Juden weitere Handwerksberufe ausüben und waren in Dormitz als Seiler oder Weber oder Buchbinder tätig. Auch der Handel mit Hopfen und anderen landwirtschaftlichen Produkten war eine wichtige Einnahmequelle.
Ihre Toten beerdigte die jüdische Gemeinde von Dormitz in Baiersdorf.
Ingo Hommel, der Besitzer des Anwesens Hauptstraße 16, berichtete über die Mikwe, die auf seinem Grund unmittelbar an der Hauptstraße steht. Das jüdische Ritualbad, das jüdische Frauen regelmäßig aufsuchen mussten, bestand schon im 18. Jahrhundert. Eine steile Treppe führte hinab in ein Kellergewölbe, in dem sich das Grundwasser in einem Becken sammelte und ständig erneuerte.
Bauplan aus dem Jahr 1775
Im 19. Jahrhundert wurde die Mikwe modernisiert. Heute wird das Gebäude als Lagerraum genutzt. Auch Hommels Wohnhaus gibt Zeugnis von der jüdischen Geschichte des Dorfes. Ein alter Bauplan aus dem Jahre 1775 weist das Gebäude als Besitz von Lämmlein und Simon Jondorf aus. Jondorf ist kein Familienname, sondern der hebräische Name Jomtow.
Der kinderlose Simon Jondorf nannte sich Hofmeyer und vererbte seinen Anteil am Haus seinem Neffen Jakob Hofmeyer. Dieser betrieb einen Laden für Spezerei- und Schnittwaren. Die Ladentür zur Straße hin ist heute noch zu erkennen. Tochter Therese übernahm das Geschäft. Sie war mit David Schulherr aus Pahres bei Neustadt/Aisch verheiratet.
Von der Synagoge auf dem Nachbargrundstück Hauptstraße 18 ist heute nichts mehr zu sehen. 1740 wurde ein erster Bauplan vorgelegt, der aber vermutlich erst Jahre später ausgeführt wurde. Die Synagoge sollte an die bestehende Judenschule angebaut werden. Wann genau dies geschah, ist nicht überliefert.
Laut dem Grundsteuerkataster hat die jüdische Gemeinde Dormitz die Synagoge "im Jahre 1766 von den David Katz'schen Eheleuten ohne Anschlag mittelst Schenkung erhalten". Als fast alle Juden aus Dormitz fortgezogen waren, verkaufte im Jahre 1919 die Kultusgemeinde Erlangen, die damals im Besitz der Synagoge war, das Gebäude an einen Privatmann.
Spektakulärer Fund
In der NS-Zeit blieb die Synagoge verschont, sie wurde ja nicht mehr als jüdisches Bethaus genutzt. Sie soll vielmehr Versammlungsraum der Bayern-wacht, also von Nazi-Gegnern, gewesen sein. Nach dem Zweiten Weltkrieg verloren sogar die Kunsthistoriker das historische Bauwerk aus dem Blick. Trotz der noch vorhandenen Rokoko-Stuckdecke und des reich verzierten Misrach-Fensters war die Synagoge von Dormitz selbst Fachleuten unbekannt.
Erst in den 1990er-Jahren interessierte sich der Denkmalschutz für das Gebäude und verlangte Bestandssicherung. Doch der Verfall ging weiter. Angeblich wütete der Wirbelsturm Wibke 1991 so sehr, dass irreparable Schäden entstanden. 2002 wurde die Synagoge endgültig abgetragen.
Die von außen sehr schlichte Dorfsynagoge von Dormitz hatte - wie andere Landsynagogen auch - eine Genisa auf dem Dachboden. Dort wurden fromme Schriften und Bücher, die nicht mehr im Gebrauch waren, aufbewahrt. Ein spektakulärer Fund war ein Siddur, ein kleinformatiges Gebetbuch, das 218 Blätter umfasst. Die Pergamenthandschrift wurde vom Besitzer der Synagoge an den Freistaat Bayern verkauft.
Allerdings waren die Blätter durch Feuchtigkeit und Hitze in starkem Maß beschädigt. Diese Schäden machten eine aufwendige Restaurierung notwendig. Heute wird der "Bamberger Siddur", der bereits vor 1600 niedergeschrieben wurde, in der Staatsbibliothek Bamberg aufbewahrt. Man könnte aber ebenso gut in diesem Zusammenhang vom "Dormitzer Siddur" sprechen.