Inklusionsschwimmen Überall wird versucht, Menschen mit Behinderung im alltäglichen Miteinander mit gesunden Menschen zu inkludieren. Eine Ausnahme bildet hier das Center für Aqua- und Personalfitness.
VON UNSERER MITARBEITERIN Petra Malbrich
Gräfenberg - Noah grinst übers ganze Gesicht, als er sich im tiefen Schwimmbecken an seiner blauen Nudel festhält. Diese Schwimmhilfe braucht er, um nicht unterzugehen. „Ich habe schon den Froschbeinschlag gelernt, die Armbewegungen, und ich kann schon ein bisschen tauchen“, sagt der Sechsjährige stolz. Das ist für den Jungen nicht selbstverständlich, denn Noah kann nicht laufen. Er kam mit Spina Bifida, einem offenen Rücken, zur Welt. Dadurch ist das zentrale Nervensystem verletzt, was zu seiner Bewegungsunfähigkeit führte.
Inzwischen kann er mit Hilfe seiner Schienen leicht auftreten. „Ich finde es wichtig, dass er Schwimmen lernt. Das gehört für mich wie das Fahrradfahren zum Leben und bringt auch ein wenig Normalität ins Familienleben“, erklärt Noahs Mutter. Noahs Freund Arvid hat dasselbe Krankheitsbild und lernt auch in der Gruppe Schwimmen. „Das Schwierigste für Kinder mit Handicap ist das Überwinden der Angstbarriere“, erklärt Mirko Helbig, der Inhaber von CAP. Die Kinder mit Körperbeeinträchtigungen haben ohnehin wenig Kontrolle, und so ist es für sie noch schwieriger, die Angst vor dem Wasser zu überwinden. „Es ist so schön, wenn die Kinder dann bemerken, dass sie im Wasser mehr Kontrolle haben“, freut sich Helbig über das Glücksgefühl, das diese Menschen dann spüren, und die Freude darüber an die Mitarbeiter weitergeben.
Stärke im Wasser
Die beeinträchtigen Kinder entwickeln gerade im Wasser Stärke. Dort können sie die gleiche Ebene erklimmen wie andere Kinder, denn im Wasser ist die Behinderung nicht mehr im Vordergrund. Für die Mitarbeiter bedeutet es hingegen einen erhöhten pädagogischen Aufwand bei kleineren Schwimmgruppen. Vor neun Jahren kam die erste Anfrage von den Eltern eines fast blinden Kindes. Das kriegen wir hin, meinten die Mitarbeiter, und so war es auch. „Wir wussten, das Wasser gleicht viel aus“, sagt Helbig. Schließlich wollten die Eltern eines Kindes mit dem Down-Syndrom auch den Versuch wagen, dass ihrem Kind Schwimmen beigebracht wird. Das Kind konnte ein bisschen reden, drückte seine Freude über Körpersprache aus. „Im Wasser reden Kinder ohnehin nicht viel. Sie haben Spaß“, sagt Helbig. Von den Mitarbeitern, die alle eine pädagogische Extraschulung haben, erfordert es hohes Können. Je nach Behinderung, muss auf das Kind eingegangen werden. Man muss langsamer sprechen, muss viel flexibler reagieren, es geht nie nach Schema F, aber man muss sich vor allem führen lassen können. Denn die Kinder mit Handicap führen die Mitarbeiter. „Sie zeigen, wo sie hinwollen, schütteln den Kopf oder drehen sich weg, wenn sie überfordert sind, oder nehmen deine Hand, um sich auf die Bank zu setzen“, erzählt Helbig von den Kindern mit Beeinträchtigung, die aus Neunkirchen, Effeltrich, Gräfenberg, Eckental, Lauf oder Heroldsberg kommen. Diese Kinder sind offener, zeigen deutlicher, was ihnen nicht gefällt. „Man darf das nicht als Ablehnung empfinden“, weiß Helbig. Kinder, die in einem normalen Kurs integriert werden können, lernen dort das Schwimmen, andere Kinder mit sehr schweren Beeinträchtigungen, wie ein Kind, das auch geistig behindert ist, bekommt eine Einzelstunde.
Mehr Betreuung notwendig
Die erhöhten Anforderungen an die Mitarbeiter ergeben sich aus dem Ziel, dass jedes Kind, das inkludiert wird, genauso mitkommt wie die anderen Schwimmschüler. Mehr Phantasie, mehr Fingerspitzengefühl und mehr Betreuung sind dazu notwendig. „Manche Kinder müssen zum Becken getragen werden, manche brauchen mehrere Hilfsmittel“, nennt Helbig Beispiele. Denn die differenzierten Unterrichtsmethoden werden auch bei normalem Unterricht gewählt. Bei acht Kindern hat man acht Charaktere vor sich. Das gilt auch für die Inklusionskinder.
Sogar das Seepferdchen
Nun ist Noah mit seiner Schwimmnudel fast am anderen Beckenrand angelangt, wo sein kleiner Rollstuhl steht. Mit seinen Beinen schlägt Noah gleichmäßig auf und ab, um sich im Wasser vorwärtsbewegen zu können; er lacht seine Schwimmlehrerin Anja Wittenberg an und reiht sich neben den anderen Schwimmschülern ein, um die lobenden Worte zu hören und Anweisungen zu lauschen. Dass auch Kinder mit körperlichen Beeinträchtigungen Schwimmen lernen oder sogar ihr Seepferdchen machen, ist hier schon immer selbstverständlich gewesen.
„Das Schwierigste für Kinder mit Handicap ist das Überwinden der Angstbarriere“: Blick in eine Schwimmstunde des Centers für Aqua- und Personalfitness Foto: Petra Malbrich