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Grausamer Wahnsinn eines Krieges

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Volkstrauertag Ein ruhiger, beschaulicher Ort erinnert in Effeltrich an eine Tragödie, wie sie sich nur Tage und Stunden vor Kriegsende noch überall im Land abspielten.
VON UNSEREM MITARBEITER Franz Galster

Effeltrich - Geht der Wanderer dem Jakobsweg von Effeltrich nach Hetzles, so sieht er bald auf der Anhöhe am „Oberen Bühl“ die neue, charakteristische Kapelle. Hundert Meter vorher findet er zur rechten Hand ein beschauliches Eckchen mit einem Ehrenmal: ein Bildstock, eine Ruhebank und ein Gedenkstein mit Namen, hinter denen sich eine Tragödie verbirgt, die den ganzen grausamen Wahnsinn eines Krieges zeigt. Eine Geschichte, die gerade zum kommenden Volkstrauertag Grund zum Innehalten gibt. Sie steht für viele ähnliche traurige Ereignisse.

Munitionsfahrzeug explodierte
Der Krieg war so gut wie zu Ende, Mitte April 1945, da fielen hier, am „Oberen Bühl“ noch sieben junge Männer. Auf der Erinnerungstafel ist folgender Text zu lesen: „In Erinnerung und zum Andenken an die bei Effeltrich gefallenen Angehörigen einer Flak-Einheit der Deutschen Wehrmacht.“ Dann folgen die Namen und Dienstgrade der Gefallenen mit ihrem Sterbedatum. Weiter: „Im April 1945 fielen zirka 100 Meter unterhalb dieser Wegegabel auf Höhe des Wasserbehälters sieben Soldaten einer Flak-Einheit durch direkten Panzerbeschuss von den Höhen aus Richtung Pinzberg. Ein mitgeführtes Munitionsfahrzeug wurde getroffen und explodierte, während die Soldaten ihre 8.8 cm Flak zum Einsatz bringen wollten.“

Sechs starben sofort am 15. April 1945 am Ort des Geschehens. Pfarrer Jung traute sich nach dem Beschuss zum Ort des Grauens und fand einen schwer verwundeten 17-jährigen Soldaten. Mit einem Handwagen wurde der Verletzte zum nahen Bauernhof Pinsel gebracht. Jemand wollte mit dem Fahrrad aus Forchheim einen Arzt holen, es war jedoch zu spät: Wegen des hohen Blutverlustes starb der junge Mann am frühen Morgen des 16. April.

Familien ausfindig gemacht
Nach damaliger Aussage des Geistlichen Rates Georg Jung wurden zwei Soldaten in Gaiganz, die übrigen in Effeltrich bestattet. Alle Bestattungen führte Pfarrer Jung durch – und dann leistete er Großes: Er machte alle Adressen der Gefallenen ausfindig, sodass deren Angehörigen in den 60er Jahren die Rückführung in die Heimat arrangieren konnten. Sie kamen aus Berlin, der Oberpfalz, dem Donauraum und aus Österreich. Tragisch ist auch, dass in Gaiganz der Landwirt Johann Georg Stein bei diesem Beschuss von Granatsplittern tödlich getroffen wurde. Am nächsten Tag, dem 16. April, waren bereits die Amerikaner im Ort und richteten im Gasthaus Waldeslust ihren Gefechtsstand ein.

Gerd Milles aus Effeltrich war es, der vor rund zehn Jahren von diesem Vorfall erfuhr und ihn aufarbeitete. Er schloss sich mit dem damaligen Pfarrer Georg Jung kurz, besuchte die noch lebenden Frauen der Soldaten und die nahen Bauernhöfe, um deren Erfahrungen auszuwerten. Der schlichte Gedenkstein ist das Ergebnis. Gestiftet hat ihn Richard Schmidt, der spätere Bürgermeister der Gemeinde. Bildhauerisch bearbeitete ihn Wolfram von Bieren, ein akademischer Bildhauer mit Werkstatt in Effeltrich. Das Baumschul-Center Hans Schmidtlein, ein Förderer und Gönner des Reservistenvereins Effeltrich, stellte ihn auf. Soldaten und Reservisten der Bundeswehr enthüllten ihn feierlich am 7. Mai 1995. Die Idee war, dass alle Vereine des Ortes einbezogen wurden. Bürgermeister Bernhard Nägel bemühte sich, dass der Platz letztlich verfügbar war.

Unauffällig steht auf der linken Seite des Gedenksteins neben einer Ruhebank ein Bildstock. Hier machte vor einiger Zeit Peter Lichtenberger, Museumsbeauftragter des Felix-Müller-Museums in Neunkirchen, zufällig Rast. Er erinnerte sich an eine Pieta in Bronze aus dem Museum, gefertigt von Felix Müller, die genau in die leere Nische des Marterls passt. Der Markt Neunkirchen als Eigentümer und Träger des Museums war einverstanden, die Pieta dort einzufügen. Lichtenberger nahm Kontakt mit Markus Nägel, den Vorsitzenden des Soldaten- und Kriegervereins auf, der von der Idee sofort angetan war.

Im April dieses Jahres segnete Pfarrer Albert Löhr den Bildstock im Beisein der Vereine. Felix Müller hat zahlreiche Kriegerdenkmäler gestaltet. „Sein Anliegen war es immer“, wie Lichtenberger ausführt, „das Leid der Frauen und Mütter in den Vordergrund zu stellen.“ Die Gesamtheit – der Tod der jungen Menschen auf Stein dokumentiert und das Marterl mit der Pieta – berührte Lichtenberger tief.

Ein Gedenken an die jungen gefallenen Soldaten – keine Glorifizierung – und das Leid der Mütter, darin sieht auch Markus Nägel die Sinnhaftigkeit dieses Ortes.

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