Forchheim - Etwas war an diesem Tag anders. Normalerweise läuft eine Auseinandersetzung in einem Festzelt nach dem gleichen Strickmuster ab: Betrunkene, die nicht mit Alkohol umgehen können, ein falsches Wort, das einer falsch auffasst, weil sich er sich stark fühlt, obwohl er in Wirklichkeit, zumindest mental, sehr schwach ist, eine Beleidigung, ein Faustschlag oder, was noch schlimmer ist, ein Fußtritt. Doch beim Feuerwehrfest in Ermreuth waren nicht nur ein wohl gewalttätiger Mann beteiligt, sondern auch eine zur Tatzeit 19-jährige Frau, von der bis zuletzt nicht klar war, ob sie Opfer und an dem betreffenden Abend noch halbwegs nüchtern war.
Als Angeklagter stand jedenfalls ein 44-jähriger Handwerker vor dem Amtsgericht Forchheim. Er habe ganz harmlos im Festzelt gesessen, erzählte er, als er als Schlichter nach draußen gerufen wurde, weil es dort einen Disput gebe. Dort traf er auf die 19-Jährige, die seit etwa drei Jahren mit ihm verfeindet ist, seit sie eine Äußerung von ihm "in den falschen Hals gekriegt" haben soll. Ihre Neigung, seine Nähe zu suchen, hatte dieser als "Anmache" aufgefasst und eine Bemerkung etwa in dem Sinn gemacht, ob sie wohl etwas von ihm wolle, weil er doch glücklich verheiratet sei. Seit diesem Zeitpunkt habe sie mit ihm kein Wort mehr gewechselt.
Eine billige Anmache
Die junge Frau berichtete von einem bis dahin unbekannten Angetrunkenen, der der 19-Jährigen und ihrer gleichaltrigen Cousine heftig auf die Nerven ging, weil er ständig davon redete, wie ähnlich sie seinen eigenen Töchtern sähen. Als er mit dieser billigen Anmache bei den beiden jungen Frauen abblitzte, holte er einen Freund zu Hilfe - eben den jetzt auf der Anklagebank Sitzenden. Der kam auch tatsächlich, erkannte die mit ihm seit einigen Jahren Verfeindete und beschimpfte sie lautstark. Außerdem, so vermeldet die Anklageschrift, soll er sie in die Ecke gedrängt haben, so dass sie ihm nicht mehr ausweichen konnte, und sich als "Busengrabscher" betätigt haben. Außerdem gab es Geschrei von der 19-Jährigen und "a Watschn" an die Adresse des Mannes.
Vor allem die Grabscherei stritt der Mann vehement ab. Die beiden Cousinen sagten übereinstimmend aus, der Mann sei "sehr betrunken" gewesen, was aber unter den zahlreich aufgebotenen Zeugen einige auch über die angeblich sexuell und körperlich Belästigte behaupteten. So wurde die Tochter des Feuerwehrkommandanten mit der Aufforderung zitiert, die junge Frau solle besser nach Hause gehen, weil sie ihr Alkoholquantum längst überschritten habe. Von einem anderen Festbesucher aus Neunkirchen wurde der Satz überliefert, "Was willst du denn, du asoziale Ermreutherin? Hau endlich ab!"
Situation unter Kontrolle?
Die Zeugen zeichneten in der Summe der von ihnen gemachten Wahrnehmungen ein eher zwiespältiges Bild. Der Mann war heftig betrunken, die junge Frau auch, ihre Cousine nüchtern, weil sie die Fahrerin war. Und beide behaupteten von sich, dass sie sehr wohl noch in der Lage gewesen seien, sich und die Situation, in der sie sich befanden, kontrollieren zu können. Die junge Frau sei nur erregt gewesen und habe geweint, sagte ihre Mutter, die einen späteren Besuch des Angeklagten mit der Aufforderung, die Anzeige zurückzuziehen, als Zeugenbeeinflussung einordnete. Außerdem sei es schon zuvor mehrfach zu solchen Konfrontationen zwischen dem Mann und ihrer Tochter gekommen. Und diese gab in einer Nachbefragung durch Amtsrichterin Schneider zu Protokoll: "Ich war nicht betrunken. Ich bin auch nicht von meinem Vater abgeholt worden, sondern heimgelaufen."
Der Vorwurf der Beleidigung wurde aus Mangel an beweisbarem Material schließlich fallen gelassen, der Mann muss 800 Euro an die Stiftung Opferhilfe bezahlen und das Verfahren wurde eingestellt. Und zum Opfer, das eine gewisse Traumatisierung behauptet hatte, sagte die Richterin: "Ich hoffe, Sie können in Zukunft wieder auf ein Fest gehen."
VON UNSEREM MITARBEITER Gernot Wildt