Historie Bei den Reichstagswahlen im September 1930 schneiden
die Nationalsozialisten auf dem Land besonders gut ab.
Auch die Konfession beeinflusst das Verhalten der Wähler.
Kreis Forchheim - Die NSDAP ist der große Sieger der Reichstagswahl vom 14. September 1930 gewesen. Sie verachtfachte ihren Stimmenanteil, wurde hinter der SPD zweitstärkste Fraktion im Reichstag und trat dementsprechend siegesbewusst auf. Weil er im Reichstag keine Mehrheit für seine Politik fand, regierte Reichskanzler Heinrich Brüning (Zentrumspartei) zunehmend mit Notverordnungen und schränkte das Parlament immer weiter ein.
In Forchheim wurden noch in der Nacht vor dem Wahlsonntag "ähnlich wie in den anderen Städten die Wahlplakate sämtlicher nicht nationalsozialistischer Parteien in der Weise beschädigt, daß ihre Nummern mit der Zahl 9 überschrieben wurden", meldete der Bezirksamtsvorstand Ernst Recht.
In seinem Bezirk erreichte die NSDAP in Kunreuth mit 55,2 Prozent und in Gräfenberg mit 52,0 Prozent ihre besten Ergebnisse. Noch deutlicher legte die NSDAP im Bezirk Ebermannstadt zu. Hier erzielte sie in sechs von insgesamt 67 Gemeinden Ergebnisse über 50 Prozent. Spitzenreiter war Traindorf mit 85,7 Prozent. Es folgten Heiligenstadt mit 68,8 Prozent, Muggendorf mit 56,4 Prozent, Hagenbach mit 56,1 Prozent, Streitberg mit 55,6 Prozent sowie Wonsees mit 50,0 Prozent. Der Erfolg der NSDAP in den protestantischen Dörfern auf dem Land stand im krassen Gegensatz zu den Hochburgen der Bayerischen Volkspartei (BVP) in den katholischen Gemeinden.
Insofern täuscht des Gesamtergebnis, das sowohl für den Bezirk Forchheim als auch Ebermannstadt deutliche Mehrheiten für die BVP auswies. Innerhalb der beiden Landkreise aber schwankte die politische Stimmung je nach Konfession von Dorf zu Dorf.
Politische Polarisierung
Martin Broszat, der in seiner bekannten Studie "Bayern in der NS-Zeit" anhand der Polizeiberichte die "soziale Lage und das politische Verhalten der Bevölkerung" im Bezirksamt Ebermannstadt untersucht hat, warnt davor, "die Aussagekraft der politischen Wahlstatistik für das reale politische Verhalten" zu halten, weil es sich in unserer Region "um eine Bevölkerung handelt, deren Politisierungsgrad schwach und unterentwickelt war".
Die "bemerkenswerte politische Polarisierung" bedeute nicht, dass der Nationalsozialismus in "der evangelischen bäuerlichen Bevölkerung eine jeder Hinsicht verläßliche oder gar fanatisch überzeugte Anhängerschaft" gehabt habe und die Katholiken "gegenüber den Verlockungen und der Propaganda des Nationalsozialismus immun gewesen und geblieben" seien.
Ob katholisch oder protestantisch - die Dorfgemeinschaft bildete eine "homogene Lebenswelt", aus deren Milieu der Einzelne sich nur schwer entfernen konnte, sagt Wolfram Pyta in seiner Studie "Ländlich-evangelisches Milieu und Nationalsozialismus bis 1933".
Insofern stand auch die Wahlentscheidung unter erheblichem Konformitätsdruck und orientierte sich häufig an den sozialen Eliten: am Pfarrer, dem Lehrer oder dem lokalen Adel. Die BVP blieb sowohl in Forchheim als auch im Landkreis Forchheim und im Landkreis Ebermannstadt die stärkste Partei und übertraf bei weitem ihre Ergebnisse in Oberfranken und auf bayerischer Landesebene.
Während die BVP im ländlichen Umland von Forchheim und in der Fränkischen Schweiz noch absolute Mehrheiten erzielte, blieb sie in der Kreisstadt deutlich unter dieser Grenze. Die SPD konnte nur noch in Forchheim selbst ihre Stellung als zweitstärkste Partei knapp vor der NSDAP halten, kam aber auch hier nicht an die Ergebnisse heran, die die Partei in Oberfranken und auf Reichsebene erzielte.
Im Raum um Forchheim bis tief in die Fränkischen Schweiz hinein spielte sie als politische Kraft keinerlei Rolle. Im Gegensatz zur NSDAP hat sie es versäumt, offensiv auf die Bauernschaft zuzugehen. So blieb ihr das Image einer Arbeiterpartei, vor deren Klassenkampf die seit 1918 verunsicherten Mittelschichten geängstigt werden konnten.
Das war mit eine Ursache für den kometenhaften Aufstieg der Christlich-Nationalen-Bauern- und Landvolkpartei (CNBL) in den protestantischen Landgemeinden um Forchheim herum und in der Fränkischen Schweiz, obwohl sie nach den Beobachtungen von Ernst Recht nur "einige kleinere, äußerst schlecht besuchte Versammlungen an mehreren Orten des Bezirkes" abgehalten hatte.
Aufgrund der immer stärker spürbaren Agrarkrise und aus der Unzufriedenheit vieler Bauern heraus war die CNBL erst Anfang 1928 entstanden. Unterstützt wurde sie vom "Landbund", zu dem sich die protestantisch und rechtsgerichteten Landwirte zusammengeschlossen hatten. Er stand in Konkurrenz zu den "Bayerischen Christlichen Bauernvereinen" (katholisch, mit Nähe zur BVP) und zum "Bayerischen Bauernbund" (liberal-antiklerikal). In Brünings Präsidialkabinett stellte die CNBL mit Martin Schiele (1870-1939) den Reichsernährungsminister.
Gezielte Werbung der NSDAP
Die konfessionelle und parteipolitische Zersplitterung in drei Bauernverbände machten sich in der Endphase der Weimarer Republik die Nationalsozialisten zunutze. Im Mai 1930 war R. Walther Darré (1895-1953) als Berater in landwirtschaftlichen Fragen in die Reichsleitung der NSDAP berufen worden.
Ihm gelang es binnen weniger Monate für seine Partei den "agrarpolitischen Apparat" aufzubauen und gezielt auf die Bauernverbände Einfluss zu nehmen. So störten sie Ende September 1930 in Neunkirchen den "Großen Bauerntag", den der Christliche Bauernverein als "nichtöffentliche Mitgliederversammlung" abhielt. "In diese Versammlung", heißt es im Bericht des Forchheimer Bezirksamtsleiters, "hatten sich 5 Mitglieder der Ortsgruppe Forchheim der NSDAP Einlaß verschafft, waren aber durch ihr anmaßendes Verhalten (Gegenrufe) unlieb aufgefallen."
"Als sie der Aufforderung des Versammlungsleiters, sich zu entfernen, keine Folge leisteten, wurden sie von den Versammlungsteilnehmern mit Gewalt aus dem Saale abgeschoben", heißt es weiter.
Ähnlich folgenlos blieben auch die Verstöße der Nationalsozialisten gegen das Uniformverbot des bayerischen Innenministeriums vom 5. Juni 1930. In Egloffstein stoppten zwei Polizisten am 30. November 1930, "etwa 30 Angehörige der NSDAP aus Erlangen", die mit einem Lkw nach Unterzaunsbach gefahren und von hier aus mit zwei Fahnen und in Uniform über Hardt, Biberbach, Affalterthal nach Egloffstein gezogen waren. Sie legten zwar die Uniform ab, beleidigten dabei aber die beiden Beamten und behaupteten dreist, "daß es sich nicht um einen Propagandamarsch handle".
Auf dem rechten Auge blind
Gegen die gebührenpflichtige Verwarnung legten sie zum Teil erfolgreich Beschwerde ein. Die Anzeige gegen den verantwortlichen Anführer beispielsweise, einen 24-jährigen Schlosser, stellte die Nürnberger Staatsanwaltschaft mit der Begründung ein, dass das "Marschieren geschlossener Züge auf Gehsteigen und Fahrbahnen mangels ortspol. Vorschrift in Egloffstein nicht strafbar" sei.
"Uniformtragen ist zwar verboten, aber nicht strafbar", heißt es weiter.
VON UNSEREM MITARBEITER Manfred Franze
die Nationalsozialisten auf dem Land besonders gut ab.
Auch die Konfession beeinflusst das Verhalten der Wähler.
Kreis Forchheim - Die NSDAP ist der große Sieger der Reichstagswahl vom 14. September 1930 gewesen. Sie verachtfachte ihren Stimmenanteil, wurde hinter der SPD zweitstärkste Fraktion im Reichstag und trat dementsprechend siegesbewusst auf. Weil er im Reichstag keine Mehrheit für seine Politik fand, regierte Reichskanzler Heinrich Brüning (Zentrumspartei) zunehmend mit Notverordnungen und schränkte das Parlament immer weiter ein.
In Forchheim wurden noch in der Nacht vor dem Wahlsonntag "ähnlich wie in den anderen Städten die Wahlplakate sämtlicher nicht nationalsozialistischer Parteien in der Weise beschädigt, daß ihre Nummern mit der Zahl 9 überschrieben wurden", meldete der Bezirksamtsvorstand Ernst Recht.
In seinem Bezirk erreichte die NSDAP in Kunreuth mit 55,2 Prozent und in Gräfenberg mit 52,0 Prozent ihre besten Ergebnisse. Noch deutlicher legte die NSDAP im Bezirk Ebermannstadt zu. Hier erzielte sie in sechs von insgesamt 67 Gemeinden Ergebnisse über 50 Prozent. Spitzenreiter war Traindorf mit 85,7 Prozent. Es folgten Heiligenstadt mit 68,8 Prozent, Muggendorf mit 56,4 Prozent, Hagenbach mit 56,1 Prozent, Streitberg mit 55,6 Prozent sowie Wonsees mit 50,0 Prozent. Der Erfolg der NSDAP in den protestantischen Dörfern auf dem Land stand im krassen Gegensatz zu den Hochburgen der Bayerischen Volkspartei (BVP) in den katholischen Gemeinden.
Insofern täuscht des Gesamtergebnis, das sowohl für den Bezirk Forchheim als auch Ebermannstadt deutliche Mehrheiten für die BVP auswies. Innerhalb der beiden Landkreise aber schwankte die politische Stimmung je nach Konfession von Dorf zu Dorf.
Politische Polarisierung
Martin Broszat, der in seiner bekannten Studie "Bayern in der NS-Zeit" anhand der Polizeiberichte die "soziale Lage und das politische Verhalten der Bevölkerung" im Bezirksamt Ebermannstadt untersucht hat, warnt davor, "die Aussagekraft der politischen Wahlstatistik für das reale politische Verhalten" zu halten, weil es sich in unserer Region "um eine Bevölkerung handelt, deren Politisierungsgrad schwach und unterentwickelt war".
Die "bemerkenswerte politische Polarisierung" bedeute nicht, dass der Nationalsozialismus in "der evangelischen bäuerlichen Bevölkerung eine jeder Hinsicht verläßliche oder gar fanatisch überzeugte Anhängerschaft" gehabt habe und die Katholiken "gegenüber den Verlockungen und der Propaganda des Nationalsozialismus immun gewesen und geblieben" seien.
Ob katholisch oder protestantisch - die Dorfgemeinschaft bildete eine "homogene Lebenswelt", aus deren Milieu der Einzelne sich nur schwer entfernen konnte, sagt Wolfram Pyta in seiner Studie "Ländlich-evangelisches Milieu und Nationalsozialismus bis 1933".
Insofern stand auch die Wahlentscheidung unter erheblichem Konformitätsdruck und orientierte sich häufig an den sozialen Eliten: am Pfarrer, dem Lehrer oder dem lokalen Adel. Die BVP blieb sowohl in Forchheim als auch im Landkreis Forchheim und im Landkreis Ebermannstadt die stärkste Partei und übertraf bei weitem ihre Ergebnisse in Oberfranken und auf bayerischer Landesebene.
Während die BVP im ländlichen Umland von Forchheim und in der Fränkischen Schweiz noch absolute Mehrheiten erzielte, blieb sie in der Kreisstadt deutlich unter dieser Grenze. Die SPD konnte nur noch in Forchheim selbst ihre Stellung als zweitstärkste Partei knapp vor der NSDAP halten, kam aber auch hier nicht an die Ergebnisse heran, die die Partei in Oberfranken und auf Reichsebene erzielte.
Im Raum um Forchheim bis tief in die Fränkischen Schweiz hinein spielte sie als politische Kraft keinerlei Rolle. Im Gegensatz zur NSDAP hat sie es versäumt, offensiv auf die Bauernschaft zuzugehen. So blieb ihr das Image einer Arbeiterpartei, vor deren Klassenkampf die seit 1918 verunsicherten Mittelschichten geängstigt werden konnten.
Das war mit eine Ursache für den kometenhaften Aufstieg der Christlich-Nationalen-Bauern- und Landvolkpartei (CNBL) in den protestantischen Landgemeinden um Forchheim herum und in der Fränkischen Schweiz, obwohl sie nach den Beobachtungen von Ernst Recht nur "einige kleinere, äußerst schlecht besuchte Versammlungen an mehreren Orten des Bezirkes" abgehalten hatte.
Aufgrund der immer stärker spürbaren Agrarkrise und aus der Unzufriedenheit vieler Bauern heraus war die CNBL erst Anfang 1928 entstanden. Unterstützt wurde sie vom "Landbund", zu dem sich die protestantisch und rechtsgerichteten Landwirte zusammengeschlossen hatten. Er stand in Konkurrenz zu den "Bayerischen Christlichen Bauernvereinen" (katholisch, mit Nähe zur BVP) und zum "Bayerischen Bauernbund" (liberal-antiklerikal). In Brünings Präsidialkabinett stellte die CNBL mit Martin Schiele (1870-1939) den Reichsernährungsminister.
Gezielte Werbung der NSDAP
Die konfessionelle und parteipolitische Zersplitterung in drei Bauernverbände machten sich in der Endphase der Weimarer Republik die Nationalsozialisten zunutze. Im Mai 1930 war R. Walther Darré (1895-1953) als Berater in landwirtschaftlichen Fragen in die Reichsleitung der NSDAP berufen worden.
Ihm gelang es binnen weniger Monate für seine Partei den "agrarpolitischen Apparat" aufzubauen und gezielt auf die Bauernverbände Einfluss zu nehmen. So störten sie Ende September 1930 in Neunkirchen den "Großen Bauerntag", den der Christliche Bauernverein als "nichtöffentliche Mitgliederversammlung" abhielt. "In diese Versammlung", heißt es im Bericht des Forchheimer Bezirksamtsleiters, "hatten sich 5 Mitglieder der Ortsgruppe Forchheim der NSDAP Einlaß verschafft, waren aber durch ihr anmaßendes Verhalten (Gegenrufe) unlieb aufgefallen."
"Als sie der Aufforderung des Versammlungsleiters, sich zu entfernen, keine Folge leisteten, wurden sie von den Versammlungsteilnehmern mit Gewalt aus dem Saale abgeschoben", heißt es weiter.
Ähnlich folgenlos blieben auch die Verstöße der Nationalsozialisten gegen das Uniformverbot des bayerischen Innenministeriums vom 5. Juni 1930. In Egloffstein stoppten zwei Polizisten am 30. November 1930, "etwa 30 Angehörige der NSDAP aus Erlangen", die mit einem Lkw nach Unterzaunsbach gefahren und von hier aus mit zwei Fahnen und in Uniform über Hardt, Biberbach, Affalterthal nach Egloffstein gezogen waren. Sie legten zwar die Uniform ab, beleidigten dabei aber die beiden Beamten und behaupteten dreist, "daß es sich nicht um einen Propagandamarsch handle".
Auf dem rechten Auge blind
Gegen die gebührenpflichtige Verwarnung legten sie zum Teil erfolgreich Beschwerde ein. Die Anzeige gegen den verantwortlichen Anführer beispielsweise, einen 24-jährigen Schlosser, stellte die Nürnberger Staatsanwaltschaft mit der Begründung ein, dass das "Marschieren geschlossener Züge auf Gehsteigen und Fahrbahnen mangels ortspol. Vorschrift in Egloffstein nicht strafbar" sei.
"Uniformtragen ist zwar verboten, aber nicht strafbar", heißt es weiter.
VON UNSEREM MITARBEITER Manfred Franze