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Ein stolzer Bau mitten im Ort


Geschichte Ein Mitglied im Freundeskreis Synagoge Ermreuth hat eine alte Ansichtskarte im Auftrag des Vereins erworben. Das Zeitdokument wird dem Museum Synagoge Ermreuth zur Verfügung gestellt.
von Rolf Kiessling

Ermreuth - Am 10. September 1900 erhielt der in Heideck/Mittelfranken lebende Gendarm Hans Engelhardt eine Ansichtskarte aus Ermreuth. Der Absender hatte zum Ortsnamen vorsichtshalber "bei Gräfenberg" hinzugefügt. "Wir sind nun schon drei Wochen im Manöver und Du lässt nichts von Dir hören", heißt es auf der Karte und weiter: "Haben heute Feiertag." Abgestempelt wurde die Ansichtskarte in Gräfenberg.

Empfänger und Absender sind längst gestorben, doch die Karte selbst mit den drei Sehenswürdigkeiten von Ermreuth und einer Gesamtansicht des Ortes hat beide überlebt. Dieses bedruckte Stück Papier ist für die Heimatgeschichte wichtig, weil es zum Ausdruck bringt, dass um 1900 die in Ermreuth lebenden Juden als Mitbürger akzeptiert waren. Von den 609 Einwohnern waren immerhin 66 jüdischen Glaubens.

Eindrucksvolles Bauwerk
Die Synagoge wurde als Sehenswürdigkeit des Ortes betrachtet - und nicht nur die Juden waren stolz auf dieses eindrucksvolle Bauwerk, das auf der Karte quasi gleichberechtigt neben der evangelischen Pfarrkirche St. Peter und Paul und dem stattlichen Schloss zu sehen ist.

Ansichtskarte von Ermreuth im Jahre 1900 Repro: Rolf Kießling


Zum radikalen Traditionsbruch kam es nach 1933, nachdem die Nationalsozialisten an die Macht gekommen waren. Im November 1938 wurde die Synagoge geschändet, das gesamte Mobiliar sowie anderes Inventar wurde nachts außerhalb der Ortschaft verbrannt. Das Feuer war weithin sichtbar, so dass Ermreuther Bürger, die sich - von Igensdorf kommend - dem Ort näherten, glaubten, im Dorf sei ein Brand ausgebrochen.

1939 wurden alle noch in Ermreuth lebenden jüdischen Einwohner gezwungen, nach Nürnberg umzuziehen. Es waren insgesamt 15 Personen, von denen zwölf später verschleppt und ermordet wurden. Während des Zweiten Weltkrieges blieb die Synagoge Eigentum der nicht mehr existierenden Kultusgemeinde.

Nach dem Krieg verkauft
Nach dem Krieg wurde das Gebäude zunächst an den Freistaat Bayern, dann an die Raiffeisenkasse Ermreuth verkauft und für landwirtschaftliche Zwecke der Genossenschaft genutzt.

Erst als die Gemeinde Ermreuth nach Neunkirchen am Brand eingemeindet worden war, besann man sich eines Besseren. Es entstand der Plan, den 1822 eingeweihten Sakralbau umfassend zu restaurieren und in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Am 19. Juni 1994 wurde die wiederhergestellte Synagoge feierlich eingeweiht und der Öffentlichkeit übergeben.

Ein kleiner Fehler
Die Ansichtskarte zeigt im oberen Einzelbild den unmittelbar an der Synagoge vorbeifließenden Saarbach, rechts davon das Schwarzhaupt-Haus sowie den Steg über den Bach. Das Haus unmittelbar vor der Synagoge, das links ins Bild ragt, ist mittlerweile abgerissen. Dem Lithographen ist nur ein kleiner Fehler unterlaufen: Die beiden Eingangstüren des Sakralbaus schweben gleichsam über dem Boden.

Wolfgang Schmidt, Mitglied im Freundeskreis Synagoge Ermreuth, hat die alte Ansichtskarte entdeckt und im Auftrag des Vereins erworben. Das Zeitdokument wird dem Museum Synagoge Ermreuth zur Verfügung gestellt. Die Ansichtskarte ist Ausdruck für ein friedliches Miteinander von Christen und Juden und erinnert an die einst bedeutende jüdische Gemeinde von Ermreuth.

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