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"Zum Plaudern reicht die Zeit nicht mehr"

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Landkreis Forchheim ist in der Altenpflege gut aufgestellt - Vorgegebener Zeittakt macht die Pflege schwierig

VON MARIA DÄUMLER
Es gibt immer mehr alte Menschen und immer mehr Pflegefälle im Landkreis. Eine im Kreisausschuss vorgelegte Bestands- und Bedarfsermittlung zeigt, dass der Landkreis Forchheim zwar schon ganz gut mit ambulanten Pflegediensten, Tagespflege- und Heimplätzen versorgt ist.
Doch die Zukunft wird wohl betreutes Wohnen möglichst lange zu Hause sein - aus Kostengründen und wegen des Pflegepersonalmangels.

FORCHHEIM - 2002 gab es schon einmal eine Bedarfsermittlung. Seither hat sich viel verändert, daher hat der Landkreis das Institut für angewandte Wirtschafts- und Sozialforschung Modus in Bamberg beauftragt, neue Zahlen zu erheben. Die legte nun Diplom-Soziologe Manfred Zehe dem Kreisausschuss und dem Fachausschuss für soziale Angelegenheiten vor. Im Vergleich zu 2002 sind die ambulanten Pflegedienste von zwölf auf zehn geschrumpft, aber nur weil einige fusioniert haben.
In Forchheim, Ebermannstadt, Gräfenberg, Eggolsheim, Gößweinstein, Neunkirchen und in Igensdorf sind ambulante Dienste tätig. Eine Versorgungslücke klafft im Raum Egloffstein. Die Zahl der Pflegekräfte nahm ebenfalls zu: von 109 auf 159. Ebenso stieg die Zahl der betreuten Menschen von 701 auf 1117, eine Steigerung von 59 Prozent. Drei Viertel der Betreuten sind Frauen ab 85 Jahren, die meist verwitwet oder alleinstehend sind.

"Politisch gewollt"
Erstaunlicherweise ist die Zahl der schwer pflegebedürftigen Menschen, also Pflegestufe drei, stark gesunken. "Das ist politisch so gewollt", sagt dazu Soziologe Manfred Zehe. Weil das Geld in der Pflegekasse nicht reiche, seien die Kriterien zur Einstufung der Pflegebedürftigkeit verschärft worden. Schon gebe es weniger Pflegebedürftige. Dafür müssten nun Krankenkassen oder Betroffene selbst mehr zur Pflege dazu zahlen. Hier hakt SPD-Kreisrat Jürgen Kränzlein ein: "Wir nehmen also bewusst in Kauf, dass die Pflege schlechter wird." Zehe widerspricht nicht. "Es bleibt keine Zeit zum Plaudern mehr." Viele ambulante Dienste gäben auf, weil sie mit den vorgegebenen Pflegezeiten nicht zurecht kommen.
Im Bereich der Tagespflege, hier werden Pflegebedürftige je nach Bedarf tagsüber versorgt, sei der Landkreis "sehr gut aufgestellt", lobt Zehe. Allein zwischen 2008 bis 2011 habe sich der Bestand auf 87 Plätze erhöht, die mit 85 Prozent auch sehr gut ausgelastet seien. Derzeit werden 174 Menschen in der Tagespflege betreut. Im Gegenzug sei die Zahl der Kurzzeitpflege von 36 auf vier Plätzen gesunken. Hier werden Senioren in der Regel ein bis fünf Wochen rund um die Uhr umsorgt.
In den 15 Senioren- und Pflegeheimen im Landkreis gibt es zurzeit insgesamt 1117 Plätze, davon sind 1073 reine Pflegeplätze. Vor zehn Jahren gab es lediglich 765 Altenheimplätze. Wie der Soziologe weiter erläutert, gehe der Trend in den Heimen zu Einzelzimmern, der Anteil der Doppelzimmer liege nur noch bei einem Drittel.
Im Landkreis Forchheim wird es - wie überall im Land - immer mehr Hochbetagte ab 80 Jahren geben. Bis 2030 wird deren Zahl auf 1376 steigen. Zusammenfassend betont Manfred Zehe, dass der Landkreis zwar im Bereich Pflege ganz gut aufgestellt sei. Aufgrund der demografischen Entwicklung sei aber die Erweiterung im ambulanten Bereich sowie ein moderater Ausbau in der stationären Pflege nötig, während er die Tagespflege als bereits gut versorgt sieht.

Betreutes Wohnen
"Die Struktur der Pflege ändert sich", stellt Grünen-Kreisrat Karl Waldmann fest. Es gebe immer mehr Hilfsnetze oder Senioren zögen in Mehrgenerationenhäusern oder Wohngemeinschaften. Diese neuen Tendenzen vermisst Waldmann in der Bedarfsermittlung. Zehe bestätigt: "Betreutes Wohnen und ähnliche Wohnformen, wo man Leistungen zukaufen kann, wird die Zukunft sein." Peter Ehmann, Geschäftsführer des Caritasverbandes Forchheim-Bamberg, weiß: "Die Menschen wollen zu Hause bleiben und dort auch sterben." Auf dieses Bedürfnis müsse man sich einstellen. Schon jetzt sei die Nachfrage im ambulanten Bereich enorm: "Wir müssen viele Leute abweisen, weil wir es nicht schaffen." Daran sei auch Personalmangel schuld, aber auch die schlechte Bezahlung: "Für einen Wundverband bekommen wir 8,50 Euro, der Aufwand liegt aber bei 25 bis 30 Euro." Lisa Hoffmann von der Arbeiterwohlfahrt spricht am Ende allen aus dem Herzen: "Alte Menschen müssen auch in Zukunft gut versorgt werden. Daher müssen wir neue Modelle entwickeln und es muss bezahlbar sein."

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