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Wer hier gewinnt, ist Sozialpolitiker

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Wahl Wer in den Bezirkstag will, muss sich für soziale Themen begeistern. Doch einige Direktbewerber legen den Fokus auch auf bislang Unbeachtetes.
VON UNSEREM REDAKTIONSMITGLIED
Ekkehard Roepert

Kreis Forchheim - Unabhängig von der Partei: Kandidaten, die sich für einen Sitz im Bezirkstag bewerben, müssen sich mit Sozialpolitik auseinandersetzen. "92 Prozent der Aufgaben im Bezirk sind sozialer Art", sagt Landrat Reinhardt Glauber (FW), der seit 15 Jahren auch Bezirksrat ist. Seine Zeit als Landrat endet im April, doch für den neuen Bezirkstag will er weiter Politik machen. Glauber hat drei große Anliegen. Erstens: "Der Staat muss sich stärker an den Sozialausgaben beteiligen." Der Bezirk trage 55 Prozent der Kosten. Die müssten auf ein Drittel gesenkt werden; und der Anteil des Staates (aktuell 21 Prozent) auf ein Drittel angehoben werden. Zweitens: "Das Thema Inklusion muss auf Bezirksebene umgesetzt werden." Drittens: Die Freien Wähler wollen Verwaltungen zusammenlegen, "Synergie-Effekte nutzen" und nach dem Vorbild eines Landrats einen Bezirksrat wählen.

Stang: "Wahnsinnig geärgert"
Während Glauber sicher mit seiner Wiederwahl rechnen kann (er hatte zuletzt die meisten Stimmen in Oberfranken), wäre es für den FDP-Direktkandidaten Reinhard Stang das erste Mandat. Der Zahnarzt aus Eggolsheim, 67 Jahre alt, trat 2006 der FDP bei, "weil ich mich wahnsinnig über die Gesundheitspolitik geärgert habe". Als Zahnarzt liege sein Interesse natürlich in der Gesundheitsfürsorge. Aber Stang würde gerne auch kulturpolitische Schwerpunkte im Bezirkstag setzen: "Ich bin Kulturschaffender, leite drei Laienchöre in Eggolsheim und Buttenheim und singe selber im Chor der Bamberger Symphoniker, in Forchheim und Nürnberg." Als kaum erträglichen Mangel empfindet es Stang, dass etwa der Chor der Bamberger Symphoniker "existenzbedroht ist, obwohl es ein Chor der Weltspitze ist". Der Bezirkstag fördere die Bamberger und Hofer Symphoniker, sagt Stang und fordert, auch die Chöre zu fördern. "Es kann nicht sein, dass es in der nächsten Saison nur ein Konzert mit Chor gibt, weil das Geld fehlt."

Bei einigen Themen sei der Bezirkstag "festgefahren", kritisiert der Eggolsheimer Stang. Und sein Mitbewerber Eberhard Decker (Die Linke) aus Gößweinstein sagt es noch deutlicher: "Im Bezirkstag liegt einiges im Argen." Vor allem beim Thema Pflege, meint der 74-Jährige, der in dem 82-Einwohner-Dorf Moritz lebt. "Es darf nicht sein, dass beispielsweise in der Bezirksklinik Bayreuth die Vergütung der Mitarbeiter 20 Prozent niedriger liegt als im Klinikum Bayreuth." Der gebürtige Berliner will sich im Bezirkstag für "linke Grundthemen" starkmachen: Mindestlohn, "anständige Versorgung im Ruhestand" etc. Worüber sich Decker ärgert: Zwei Drittel der Bevölkerung wollten keine deutschen Kriegseinsätze, aber bei den Wahlen spiegele sich diese Haltung nicht wider. "Der Linken wird immer noch ein schlimmes Bild angedichtet, als wären wir eine undemokratische Partei aus DDR-Zeiten". Doch der ehemalige Ingenieur Decker sagt auch, dass sich der Wahlkampf verändert habe: "Früher gab es mehr Anfeindungen. Jetzt finden wir eine gewisse Beachtung und Achtung. Es ist durchgedrungen, dass wir eine demokratische Partei sind."

Während Decker in der SPD engagiert war, bevor er sich 2010 der Linken zuwandte, soll für Gerlinde Kraus die Karriere bei den Genossen erst so richtig beginnen. Die Heroldsbacherin sitzt seit 2002 für die SPD im Gemeinderat und ist SPD-Mitglied seit 2006. "Ich habe den Eindruck, im jetzigen Bezirkstag stehen die Haushaltszahlen zu sehr im Mittelpunkt. Die Menschen, um die es eigentlich geht, geraten zu oft in Vergessenheit", sagt die 50-Jährige. Mit ihrer Kompetenz als Krankenschwester sieht sie sich "als gute Ergänzung zu den vielen Oberbürgermeistern und Landräten, die momentan in diesem Gremium sitzen". Im Bezirkstag möchte sich Kraus für eine Bezahlung der Krankenhausmitarbeiter nach Tarif engagieren und dafür, die Betreuung behinderter Kinder in den Schulferien zu finanzieren. Die Herausforderung, sich gegen ihre prominenten Mitbewerber durchzusetzen, nimmt Gerlinde Kraus "sehr sportlich". Als aktive Tischtennisspielerin folge sie dem Grundsatz: Wer nicht kämpft, hat schon verloren. "Außerdem bin ich die einzige Frau als Direktkandidatin für den Bezirkstag im Landkreis Forchheim." Im Wahlkampf habe sie die Gespräche vor Ort genossen, vor allem die Begegnung mit dem Ehepaar Ude in Neunkirchen - und auch das "freundschaftliche und respektvolle Verhältnis zu den Kandidaten anderer Parteien".

Zu den respektvollen Mitbewerbern gehört beispielsweise Holger Kotouc. Der Kreisvorstandssprecher der Grünen und Ortsvorsitzende in Neunkirchen am Brand fordert "Gleichbehandlung aller Kinder, unabhängig vom sozialen Umfeld, und eine bessere Förderung von Behinderten". Der gebürtige Lichtenfelser (Jahrgang 1957) arbeitet in einer Forschungseinrichtung in Erlangen. "Was mir besonders am Herzen liegt, nicht nur für den Landkreis Forchheim, sondern auch für den Regierungsbezirk Oberfranken-, ist die Preisgestaltung im ÖPNV." Die Preise im Nahverkehr seien "für viele Menschen unattraktiv, deshalb fahren diese lieber mit dem Auto". Als Bezirkstagspolitiker würde Kotouc zudem auf erneuerbare Energien (weitere Windvorrangflächen in Oberfranken; alle Dächer der Bezirkseinrichtungen mit PV-Anlagen ausstatten) setzen. Eines seiner Steckenpferd ist zudem die Stadtumland-Bahn: sie müsse in Oberfranken und wie früher geplant bis Neunkirchen fahren.

Fahrt aufnehmen will Franz Stumpf (CSU) beim Thema Inklusion. Die "vorbildliche Arbeit der Blindenanstalt" in Nürnberg (wo Stumpf stellvertretender Vorsitzender ist) sei alleine schon ein Grund, für den Bezirkstag zu kandidieren. 70 Prozent der Azubis, die in der Blindenanstalt ausgebildet werden, kämen auf dem ersten Arbeitsmarkt unter. "Darauf bin ich stolz", sagt Stumpf. Eine komplizierte Frage sei es, wie die Blindenanstalt künftig mit der Idee der Inklusion vereinbar sei.

Seit zehn Jahren ist Stumpf Bezirksrat. Er hat sich in hoch spezialisierte Themenfelder hineingearbeitet. Etwa wacht er im Verwaltungsrat der Bezirkskrankenhäuser mit darüber, dass keine Defizite entstehen; im Psychiatrie-Ausschuss feilt er am neuen Entgelt-Gesetz. Um an diesen Themen dranbleiben zu können, sei er motiviert, auch im neuen Bezirksrat zu sitzen.



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