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Die Häscher ermordeten fast alle Juden

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Holocaust Den letzten Juden von Ermreuth ist eine Broschüre gewidmet. Der Forchheimer Historiker Rolf Kießling hat ihre Schicksale dokumentiert. Hier fasst er zusammen, was in dieser Broschüre steht.
Ermreuth - Ermreuth war ein so genanntes Judendorf. 1822, als die neue Synagoge eingeweiht wurde, lag der Anteil der jüdischen Einwohner bei etwa einem Drittel. Durch Auswanderung um die Mitte des 19. Jahrhunderts und durch Abwanderung in die Städte nach 1861 nahm die Zahl der Landjuden stark ab. Die jüdische Gemeinde von Ermreuth konnte 1930 keine Gottesdienste mehr halten, da die Zahl der religionsmündigen männlichen Personen unter zehn gesunken war. Als 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kamen, lebten noch 21 jüdische Menschen in Ermreuth. Was ist aus ihnen geworden? Das ist nachzulesen in einer Broschüre, die der Freundes- und Förderkreis Synagoge Ermreuth herausgegeben hat.

Schon vor 1933 konnte die NSDAP in Ermreuth - wie auch in anderen Gemeinden des Oberlands - hohe Stimmenanteile verbuchen. Die Juden erlebten verstärkt Anfeindungen von antisemitischen Dorfbewohnern, erfuhren aber auch die Solidarität ihrer christlichen Nachbarn. In der Reichspogromnacht 1938 machten die Nazis deutlich, wie verhasst ihnen alles Jüdische war. Sie schändeten die Synagoge und verbrannten die Inneneinrichtung auf freiem Feld.

In "Ghettohäuser" gepfercht
Dem Ehepaar Schwarzhaupt gelang zu Beginn des Jahres 1939 die Emigration. Ihr einziges Kind Rosa hatten die Eltern bereits mit einem Kindertransport in Sicherheit gebracht. Die verbliebenen 15 jüdischen Einwohner wurden gezwungen, ihren Heimatort zu verlassen und nach Nürnberg umzuziehen.

Dort wurden sie in "Ghettohäusern" untergebracht. In diesen Gebäuden lebten ausschließlich Juden in großer räumlicher Enge. Zwei ältere Frauen aus Ermreuth starben in Nürnberg. Am 29. November 1941 wurden rund 1000 fränkische Juden von Nürnberg aus nach Riga deportiert, angeblich zum Arbeitseinsatz. Darunter waren auch fünf Mitglieder der Familie Hönlein: zwei ältere Ehepaare und eine alleinstehende Frau. Im Lager Jungfernhof, einem früheren Gutshof, herrschten erbärmliche Zustände. Die Menschen starben entweder an Hunger, Kälte, Krankheit oder sie wurden erschossen.

Im Frühjahr 1942 wurden weitere fünf jüdische Ermreuther deportiert. Darunter war der Kriegsinvalide Hugo Wassermann, der seinen Lebensunterhalt als Hausierhändler verdiente und unter dem Namen "Huggl" bekannt war.

Die Familie des Viehhändlers Max Wassermann wurde auseinandergerissen. Der Familienvater war so schwer erkrankt, dass er nicht transportfähig war. Seine Frau Betty und die Kinder Bella, Werner und Kurt wurden jedoch nach Izbica bei Lublin deportiert, von wo aus sie in ein Vernichtungslager kamen und ermordet wurden. Nur Sohn Bernhard überlebte den Holocaust.

Max Wassermann war in der Reichspogromnacht vor den Augen seiner Kinder zusammengeschlagen worden. Er musste sein Haus in Ermreuth verkaufen und nach Nürnberg umziehen. Eine schwere Krankheit erzwang einen Aufenthalt im Jüdischen Krankenhaus in Fürth. Nach der Deportation seiner Frau und von drei Kindern 1942 erlag Max Wassermann noch im gleichen Jahr in Fürth seiner Krankheit. Er wurde auf dem Jüdischen Friedhof in der Schnieglinger Straße in Nürnberg begraben.

Hochbetagte Witwen
Zwei hochbetagte Witwen aus Ermreuth wurden im Herbst 1942 ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Die beiden waren Schwestern und stammten ursprünglich aus Wilhermsdorf. Rosa Wassermann, geb. Kohn, war 88 Jahre alt; Regina Schönberger, geb. Kohn, 82 Jahre alt. Die beiden Frauen starben wenige Wochen nach ihrer Ankunft im Ghetto.

Das Gedenkbuch des Bundesarchivs nennt insgesamt 33 in Ermreuth geborene Menschen, die dem Holocaust zum Opfer fielen. Auch sie werden in der Broschüre genannt und teilweise im Bild vorgestellt, darunter die Schwestern Klara und Regina Heß. Sie waren Töchter des Lehrers Isaak Heß, der in Ermreuth als Gemeindeschreiber tätig war. Erwähnt wird auch der letzte jüdische Lehrer von Ermreuth, Jakob Gönninger. Von ihm glaubte man zunächst, er sei dem Holocaust zum Opfer gefallen, doch er überlebte das Grauen. Allerdings sind seine Frau und seine drei Töchter von den Nazis ermordet worden.

Nur zwei überlebten im Landkreis
Im Landkreis Forchheim überlebten nur zwei jüdische Frauen. Eine davon war Regina Schander, geb. Fränkel, deren Mann nach dem Krieg von den Amerikanern als Bürgermeister von Gräfenberg eingesetzt wurde. Nicht überlebt hat hingegen Karola Mirsberger, geb. Adler, Mutter von drei Kindern, wohnhaft in Schirnaidel.

Sie war dem psychischen Druck nicht gewachsen. Ihrem Mann Martin, der tapfer zu seiner Frau hielt, gelang es nicht, sie vor dem Unheil zu bewahren. Im Januar 1945 starb Karola Mirsberger im Ghetto Theresienstadt. ft






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