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Die Ermreuther sangen gerne

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Vereine Die bunte Vielfalt der Ermreuther Vereine begann vor 150 Jahren mit dem "Liederkranz". Gegen die Gründung eines Schützenvereins hatte der Pfarrer Einwände. Sogar zwei jüdische Vereine existierten im Dorf.
VON UNSEREM MITARBEITER Rolf Kiessling

Ermreuth - Vor wenigen Monaten konnte der Gesangverein "Liederkranz" Ermreuth ein stolzes Jubiläum feiern. Er wurde vor 150 Jahren gegründet. Alle anderen Ermreuther Vereine sind zwar jünger, doch auch sie können meist auf eine lange Tradition zurückblicken. 1916 stellte der damalige Pfarrer Karl Seeberger fest: "Das Vereinswesen ist hier sehr stark vertreten, da neben einem Veteranenverein und 2 Singvereinen noch 3 weitere bestehen, die keine weiteren Zwecke haben, als dem Trinken, der Genuß- und Vergnügungssucht zu dienen."

Der "Liederkranz" wurde in den Jahren um 1890 von dem Bierbrauer Andreas Barthelmeß geführt, dessen Gastwirtschaft auch als Vereinslokal diente. Stellvertretender Vorsitzender war der Schmiedemeister Johann Georg Ringel, als Kassier betätigte sich der Schneidermeister Georg Heid, der schon an der Vereinsgründung beteiligt war.

Die Sangeskunst war unter den Ermreuther Männern so beliebt, dass Bürgermeister Johann Leonhard Müller am 6. Februar 1908 ans Bezirksamt Forchheim schrieb: "Es hat sich ein neuer Verein zwecks Ausbildung im Gesang gebildet." 1. Vorsitzender war Johann Wittmann, 2. Vorsitzender Thomas Stein, Kassier Johann David Ederer. Zu den wöchentlichen Singstunden trafen sich die Mitglieder im Gasthaus "Zum weißen Lamm".

Als 1893 ein Schützenverein gegründet werden sollte, wandte sich der sittenstrenge Pfarrer Seeberger an das Bezirksamt Forchheim und bat darum, "im Hinblick auf das sittliche und ökonomische Wohl der hiesigen Gemeinde die beabsichtigte Gründung fraglichen Vereines möglichst zu verhindern". Im Antwortschreiben vom 17. November 1893 hieß es jedoch: "Leider fehlt es an einer gesetzlichen Handhabe, was um so bedauerlicher ist, als in neuerer Zeit diese Vereine wie Pilze aus der Erde schießen."

Allen Einwänden zum Trotz war der Zimmerstutzenverein am 4. November 1893 aus der Taufe gehoben worden. Die Vereinsführung bildeten gestandene Männer, der Schneidermeister Georg Mösel, der Maurermeister Johann Georg Malter und der Wagnermeister Friedrich Malter. In holprigem Deutsch bat man das Bezirksamt darum, die Statuten genehmigen zu wollen. Vor allem jüngere Männer waren am Schießen interessiert. Zu den Mitgliedern der ersten Stunde gehörten viele Handwerksgesellen und "Ökonomensöhne".

Der Kreuzbauernverein
Nahezu vergessen ist heute, dass es in Ermreuth einen Kreuzbauernverein gab. Mit Landwirtschaft hatte dieser Verein nichts zu tun, mit Geselligkeit hingegen sehr viel. Vor allem jüngere Leute gehörten dem Verein an, der von dem Gütlersöhn Georg Ebenhack und dem Schmiedegesellen Johann Ringel geführt wurde. Am 30. Juli 1893 beantragten die Kreuzbauern, die Polizeistunde bis 1 Uhr zu verlängern, um im Gasthaus des Konrad Wölfel ausgiebiger feiern zu können.

Am 2. Januar 1899 wurde protokolliert: "Nachdem die Vereinsmitglieder vollzählig erschienen waren, eröffnete der Vorstand die Versammlung." Der Kassenbestand betrug 26 Mark 55 Pfennig. Als neuer 1. Vorstand wurde Johann Leonhard Müller gewählt, der von 1906 bis 1933 Bürgermeister von Ermreuth war.

Eine Besonderheit Ermreuths war, dass es sogar zwei jüdische Vereine gab. Der eine hieß "Casino". Leider lässt sich nicht ermitteln, wann der Verein gegründet wurde. Vielleicht hat man sich am jüdischen Geselligkeitsverein "Casino" in Würzburg orientiert, der bereits seit 1835 bestand.

Ein Schreiben vom 4. September 1888 an das Bezirksamt Forchheim belegt die Existenz des jüdischen Vereins. Leopold Gönninger teilte darin mit, dass "Herr Hermann Schloß seinen Posten niederlegte" und dass er selbst "durch Acclamation bei beschlussfähiger Generalversammlung" als 1. Vorstand des Vereins Casino gewählt worden sei. Stammlokal war das Gasthaus "Zum weißen Lamm", der jetzige Gasthof Ederer. Im Dezember 1888 wurde der Kaufmann Wilhelm Schwarzhaupt zum 1. Vorsitzenden gewählt, der um 1900 durch den Kaufmann Emanuel Wimmelbacher abgelöst wurde. Als 2. Vorsitzender amtierte lange Zeit Leopold Ermreuther. Als Kassier fungierte Leopold Goldner, dem Isidor Hönlein nachfolgte.

Religiöse Ziele
Während das "Casino" weltlich ausgerichtet war, hatte der zweite jüdische Verein religiöse Ziele, wie bereits der Name erkennen lässt. Der Talmud-Thora-Verein wurde in den Jahren 1891/92 von Jakob Schönberger und Salomon Uhlfelder geführt. Talmud-Thora-Vereine sollten dem gemeinsamen Studium des jüdischen Schrifttums dienen.

Im Ersten Weltkrieg kam das Vereinsleben häufig nahezu zum Erliegen. Viele der Vereinsmitglieder kämpften an der Front, nicht wenige "starben für ihr Vaterland". In der Heimat aber hatten die Menschen andere Sorgen als ein florierendes Vereinsleben.


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