Laufen Ein Kurs der SG Neunkirchen am Brand will aus Gelegenheitsjoggern in zehn Wochen Halbmarathon-Läufer machen. In der ersten Einheit müssen die Teilnehmer ihre Maximale Konstante Herzfrequenz finden.
VON UNSEREM REDAKTIONSMITGLIED Michael Memmel
Neunkirchen am Brand - Freitag, 19 Uhr: Vor dem Vereinsheim der Sportgruppe Neunkirchen fällt ein Begriff, der erstmal für große Augen sorgt. "Anaerobe Schwelle" - die zwei Wörter gehen Harry Hüttmann ganz leicht über die Lippen, doch die meisten der Gelegenheitsjogger, die sich von ihm binnen zehn Wochen zu Halbmarathon-Läufern formen lassen wollen, verstehen nur Bahnhof. Was für eine seltsame Grenze soll das sein?
Der Übungsleiter der SG Neunkirchen nimmt sich die Zeit und erklärt, was es mit der "anaeroben Schwelle" auf sich hat. "Das ist die Belastung, unter der ihr maximal über längere Zeit laufen könnt", erklärt Hüttmann. Das Internet-Lexikon Wikipedia spricht von der höchstmöglichen Intensität, "welche von einem Sportler gerade noch unter Aufrechterhaltung eines Gleichgewichtszustandes zwischen Bildung und Abbau von Laktat erbracht werden kann, wenn also der maximale Laktat-Steady-State erreicht wird." Diese Schwelle lässt sich mit den unterschiedlichsten Verfahren bestimmen. Die meisten seien laut Hüttmann "teuer" und "ungenau". Für Laktat-Tests inklusive Blutabnahme und -analyse würden oft dreistellige Euro-Beträge aufgerufen, doch das Ergebnis sei ähnlich unzuverlässig wie ein durch Formeln errechneter Wert. Der 55-jährige, erfahrene Ausdauersportler selbst vertraut hingegen auf einen ganz einfachen und völlig kostenlosen Test zur Bestimmung der Maximalen Konstanten Herzfrequenz. Er beruht auf der Idee, den Puls zu finden, mit dem ein Sportler 30 Minuten lang "am Limit" laufen kann.
Das Verfahren ist einfach, einzige Voraussetzung ist eine Pulsuhr: Hüttmann gibt jedem Teilnehmer eine Herzfrequenz vor, mit der er versuchen soll, 30 Minuten zu laufen. Wer das halbwegs problemlos schafft, muss noch mal ran und das Gleiche mit einem zehn Schläge höheren Puls probieren. Dies ist solange zu wiederholen, bis der Dauertest nicht mehr geschafft wird. Danach wird der Test noch mal mit einer fünf Schläge niedrigeren Frequenz durchgeführt. Gelingt dieser, liegt hier die anaerobe Schwelle, ansonsten fünf Schläge niedriger.
Und warum ist diese anaerobe Schwelle so wichtig? "Weil ich anhand dieses Puls-Wertes erst euren Trainingsplan für die nächsten Wochen erstellen kann", erklärt Harry Hüttmann. Zuversichtlich fragt er in die Runde, ob der eine oder andere weiß, wo dieser Punkt bei ihm liegen könnte, doch bis auf einen Läufer hat keiner eine Ahnung. Der Übungsleiter schüttelt den Kopf: "Wie habt ihr denn dann überhaupt bisher trainieren können?" Aus der Gruppe kommt es scherzhaft zurück: "Wir sind halt so gelaufen, dass wir noch gut reden konnten."
Der Härtetest
Hüttmann bleibt nichts anderes übrig, als sich bei seinen Vorgaben am Alter der Teilnehmer zu orientieren. Er gibt Werte zwischen 165 und 180 aus. Und dann dämpft er richtig die Stimmung: "Das wird heute kein Spaß. Ihr müsst eure Leistungsgrenze finden und euch schon ein bisschen quälen." Deshalb ganz wichtig: Alle, die sich diesem Test unterziehen, müssen gesund sein und sich im Zweifelsfall im Vorfeld einem medizinischen Test unterzogen haben. Bevor es richtig losgeht, läuft sich die Gruppe 15 Minuten warm. "Das ist wichtig, weil sonst funktioniert der Test nicht", erklärt Hüttmann. Bei ihm sei es zum Beispiel so, dass er in diesen ersten Minuten auch bei geringer Geschwindigkeit einen Puls von 180 bis 190 erreiche. "Dabei liegt mein absolutes Trainingsmaximum bei 172." Der Körper müsse erstmal auf Touren kommen, damit wirklich ein aussagekräftiger Puls zu messen sei.
Und dann sind die Teilnehmer auf sich allein gestellt. Jeder muss für sich laufen und das Tempo finden, mit dem er zu der vorgeschlagenen Herzfrequenz bis auf etwa drei Schläge drüber oder drunter durchhalten kann. Reden sollte jetzt eigentlich nicht mehr möglich sein. So wird das ein ganz stiller Lauf. Jeder für sich.
Erst als die 30 Minuten vorüber sind, findet sich die Gruppe wieder nach und nach zusammen. Erschöpft, aber irgendwie auch zufrieden. Jeder hat seine Vorgabe erreicht. Und dann kommt endlich auch eine freudige Kunde von Hüttmann: "In diesem Pulsbereich werden wir weniger als 10 Prozent trainieren, ein Großteil unseres Pensums, rund 80 Prozent, liegt sogar sehr deutlich darunter." Ein Aufatmen ist zwar nicht zu hören, doch in den Augen des einen oder anderen zeichnet sich ganz klar Erleichterung ab.
VON UNSEREM REDAKTIONSMITGLIED Michael Memmel
Neunkirchen am Brand - Freitag, 19 Uhr: Vor dem Vereinsheim der Sportgruppe Neunkirchen fällt ein Begriff, der erstmal für große Augen sorgt. "Anaerobe Schwelle" - die zwei Wörter gehen Harry Hüttmann ganz leicht über die Lippen, doch die meisten der Gelegenheitsjogger, die sich von ihm binnen zehn Wochen zu Halbmarathon-Läufern formen lassen wollen, verstehen nur Bahnhof. Was für eine seltsame Grenze soll das sein?
Der Übungsleiter der SG Neunkirchen nimmt sich die Zeit und erklärt, was es mit der "anaeroben Schwelle" auf sich hat. "Das ist die Belastung, unter der ihr maximal über längere Zeit laufen könnt", erklärt Hüttmann. Das Internet-Lexikon Wikipedia spricht von der höchstmöglichen Intensität, "welche von einem Sportler gerade noch unter Aufrechterhaltung eines Gleichgewichtszustandes zwischen Bildung und Abbau von Laktat erbracht werden kann, wenn also der maximale Laktat-Steady-State erreicht wird." Diese Schwelle lässt sich mit den unterschiedlichsten Verfahren bestimmen. Die meisten seien laut Hüttmann "teuer" und "ungenau". Für Laktat-Tests inklusive Blutabnahme und -analyse würden oft dreistellige Euro-Beträge aufgerufen, doch das Ergebnis sei ähnlich unzuverlässig wie ein durch Formeln errechneter Wert. Der 55-jährige, erfahrene Ausdauersportler selbst vertraut hingegen auf einen ganz einfachen und völlig kostenlosen Test zur Bestimmung der Maximalen Konstanten Herzfrequenz. Er beruht auf der Idee, den Puls zu finden, mit dem ein Sportler 30 Minuten lang "am Limit" laufen kann.
Das Verfahren ist einfach, einzige Voraussetzung ist eine Pulsuhr: Hüttmann gibt jedem Teilnehmer eine Herzfrequenz vor, mit der er versuchen soll, 30 Minuten zu laufen. Wer das halbwegs problemlos schafft, muss noch mal ran und das Gleiche mit einem zehn Schläge höheren Puls probieren. Dies ist solange zu wiederholen, bis der Dauertest nicht mehr geschafft wird. Danach wird der Test noch mal mit einer fünf Schläge niedrigeren Frequenz durchgeführt. Gelingt dieser, liegt hier die anaerobe Schwelle, ansonsten fünf Schläge niedriger.
Und warum ist diese anaerobe Schwelle so wichtig? "Weil ich anhand dieses Puls-Wertes erst euren Trainingsplan für die nächsten Wochen erstellen kann", erklärt Harry Hüttmann. Zuversichtlich fragt er in die Runde, ob der eine oder andere weiß, wo dieser Punkt bei ihm liegen könnte, doch bis auf einen Läufer hat keiner eine Ahnung. Der Übungsleiter schüttelt den Kopf: "Wie habt ihr denn dann überhaupt bisher trainieren können?" Aus der Gruppe kommt es scherzhaft zurück: "Wir sind halt so gelaufen, dass wir noch gut reden konnten."
Der Härtetest
Hüttmann bleibt nichts anderes übrig, als sich bei seinen Vorgaben am Alter der Teilnehmer zu orientieren. Er gibt Werte zwischen 165 und 180 aus. Und dann dämpft er richtig die Stimmung: "Das wird heute kein Spaß. Ihr müsst eure Leistungsgrenze finden und euch schon ein bisschen quälen." Deshalb ganz wichtig: Alle, die sich diesem Test unterziehen, müssen gesund sein und sich im Zweifelsfall im Vorfeld einem medizinischen Test unterzogen haben. Bevor es richtig losgeht, läuft sich die Gruppe 15 Minuten warm. "Das ist wichtig, weil sonst funktioniert der Test nicht", erklärt Hüttmann. Bei ihm sei es zum Beispiel so, dass er in diesen ersten Minuten auch bei geringer Geschwindigkeit einen Puls von 180 bis 190 erreiche. "Dabei liegt mein absolutes Trainingsmaximum bei 172." Der Körper müsse erstmal auf Touren kommen, damit wirklich ein aussagekräftiger Puls zu messen sei.
Und dann sind die Teilnehmer auf sich allein gestellt. Jeder muss für sich laufen und das Tempo finden, mit dem er zu der vorgeschlagenen Herzfrequenz bis auf etwa drei Schläge drüber oder drunter durchhalten kann. Reden sollte jetzt eigentlich nicht mehr möglich sein. So wird das ein ganz stiller Lauf. Jeder für sich.
Erst als die 30 Minuten vorüber sind, findet sich die Gruppe wieder nach und nach zusammen. Erschöpft, aber irgendwie auch zufrieden. Jeder hat seine Vorgabe erreicht. Und dann kommt endlich auch eine freudige Kunde von Hüttmann: "In diesem Pulsbereich werden wir weniger als 10 Prozent trainieren, ein Großteil unseres Pensums, rund 80 Prozent, liegt sogar sehr deutlich darunter." Ein Aufatmen ist zwar nicht zu hören, doch in den Augen des einen oder anderen zeichnet sich ganz klar Erleichterung ab.